Rechtsstreit um Zitate — „inhaltsadäquat“, aber nicht zitierbar

■ Vor dem Berliner Landgericht am Tegeler Weg stritten Ströbele und Broder über Anführungszeichen und „wahre“ Übersetzungen

Berlin (taz) — Das Landgericht Berlin hatte heute noch einmal in der Sache Ströbele, vertreten durch die Anwälte Eisenberg und Eschen, gegen Broder, vertreten durch Otto Schily, zu verhandeln. Formal richtet sich die Klage Ströbeles gegen einzelne, aus seiner Sicht sinnentstellende Zusammenkürzungen bei der Wiedergabe eines Gesprächs mit Broder in der 'Jerusalem Post‘. Genauer, gegen die Anführungszeichen, die bei der englischen Version in der Tagesausgabe der israelischen Zeitung gesetzt worden waren. Broder hatte Ströbeles Äußerung, Saddam sei ein „schlimmes Großmaul“ mit „big mouth“ übertragen, wodurch die Kritik, die in dem Beiwort „schlimm“ stecke, untergegangen sei. Zur Untermauerung hatten die Kläger sogar eine autorisierte Übersetzung eines vereidigten Dolmetschers beigezogen. Unstrittig auf beiden Seiten der Verfahrensbeteiligten wie auch beim Gericht war, daß sich die Klage Ströbeles nur gegen die Übersetzung, nicht aber gegen die beiden auf Deutsch erschienenen Interviews in der 'Süddeutschen‘ (am 19.2.) und in der taz (am 20.2.) richte — die jedoch auf dasselbe Hintergrundgespräch zurückgehen, aus dem auch der Text für die 'Jerusalem Post‘ entnommen ist.

Es ist ein fintenreicher Prozeß, der da vor dem Landgericht am Tegeler Weg geführt wird. Der Versuch Broders, die Zuständigkeit des Berliner Gerichts zu bestreiten, sein deutscher Wohnsitz ist Köln, die 'Jerusalem Post‘ erscheint in Israel, an den Kiosken sei nur die Wochenausgabe erhältlich, blieb in seiner Zielsetzung ein wenig unklar, könnte aber, wenn er Erfolg hat, dem Kläger durchaus die Lust an der Fortführung des Prozeßweges nehmen. Umgekehrt zielt auch Christian Ströbele als Kläger keineswegs nur auf die in den Schriftsätzen inkriminierten Zitate. Als nämlich das Gericht sich hoffnungsfroh auf dem Wege eines gütlichen Vergleichs sah — Broder solle sich bei der ersten inkriminierten Äußerung damit einverstanden erklären, daß die Anführungszeichen gestrichen würden, die Äußerungen seien zwar „inhaltsadäquat“, aber eben nicht in direkter Rede zitierbar —, da insistierte Ströbeles Rechtsbeistand Eisenberg darauf, der Beklagte müsse von seiner „manipulativen“ Intention abrücken. Das konnte nicht anders verstanden werden als der Versuch, eine Generalprävention gegen jede weitere Verwendung der englischen, aber auch der deutschen Versionen zu bekommen.

Otto Schily brachte das auf den Punkt, als er erklärte, der Beklagte könne unmöglich einen Vergleich akzeptieren, der an einem entscheidenden Punkt die tatsächlichen Äußerungen des Klägers auf gerichtlichem Wege aus der Welt schaffen wolle. Die Richter zeigten sich widerwillig ob der Bürde, einen politischen Streit mit den Mitteln der Rechtsfindung entscheiden zu müssen, dessen juristische Dimensionen so eng mit denen der Politik und der Freiheit des Wortes verquickt sind. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück, ohne bis Redaktionsschluß zu entscheiden.

Ströbele wird wohl in seinem ersten Punkt Recht bekommen, sein weitergehendes Ziel aber verfehlen, denn die Richter ließen kaum einen Zweifel, daß Broder „der Sache nach“, aber nicht immer im Wortlaut richtig berichtet habe. Erstaunlich aber war es schon, wie sich hier zwei Parteien aus dem linken Milieu mit juristischen Formalitäten behakten und es eher das Gericht war, welches sich sträubte, amtlicherseits festzulegen, welche Öffentlichkeit nun rechtens sei. Ulrich Hausmann