: Datenschutz: Post das schwärzeste Schaf
■ Bundesbeauftragter legte Tätigkeitsbericht vor/ Rüge für Gesetzgeber/ Angriffe auf den Datenschutz zurückgewiesen
Berlin (taz) — Wenn der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Alfred Einwaag, zur Feder greift, hadert er regelmäßig mit Bundespostminister Schwarz-Schilling. Anläßlich des gestern in Bonn veröffentlichten 13. Tätigkeitsberichtes konstatierte Einwaag bedauernd, „es finden sich klare Verstöße gegen den Datenschutz, bei denen der Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation nach Zahl und Bedeutung leider erneut besonders auffallend vertreten ist“. So verschaffe die Post trotz früherer Beanstandungen der Postbank für Werbezwecke weiterhin die Anschriften von Konfirmanden, Erstkommunikanten und Abiturienten. Besonders zu kritisieren sei: Die Postzusteller würden nicht nur angehalten, die betreffenden Anschriften aus öffentlichen Aushängen, sondern auch „auf andere geeignete Weise“ zu beschaffen. Der Kunde könnte schon den Eindruck haben, mit dem Postboten begegne ihm „ein verdeckter Ermittler“.
Die Latte der Beanstandungen in Schwarz-Schillings Ressort ist beachtlich. Kritisiert wird etwa die Meldung von Kontosperrungen an die Personalstelle des Betroffenen ohne dessen Einwilligung oder die „zweckfremde Verwendung von Kundendaten“ beim Mobilfunk und Bildschirmtext. Entschieden wandte sich Einwaag auch gegen Pläne der Post, in naher Zukunft im ISDN- Netz alle Telekommunikationsverbindungen vollständig zu speichern, mit Zeitpunkt und Nummer des Angerufenen. Die Zahl der Beanstandungen im Postbereich ist dem Tätigkeitsbericht zufolge insgesamt gleichbleibend hoch geblieben — zugleich weigere sich der zuständige Minister, rechtswidrige Datenverarbeitungen abzustellen, die der Datenschutzbeauftragte bereits in den Vorjahren kritisiert hat. In manchen Fällen, resümiert Einwaags Behörde, lasse der Umgang der Post mit den Daten der Kunden „nicht den notwendigen Respekt vor deren Persönlichkeitsrecht“ erkennen.
Als vorbildlich nannte Einwaag dagegen das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts, das den Erfordernissen des Datenschutzes beispielhaft Rechnung trage. Gelobt werden auch die Grenzschutzdirektionen und das Zollkriminalinstitut, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus den Persönlichkeitsrechten der Bürger entgegenkommen.
Eine herbe Rüge erteilte Einwaag dem Gesetzgeber. So sei es „überaus bedauerlich“, daß siebeneinhalb Jahre nach der Verabschiedung des „Volkszählungsurteils“ noch immer für die Bereiche der Strafverfolgung, der Verwaltung oder der Gerichte gesetzliche Regelungen fehlen, die „klar und nachvollziehbar vorschreiben, welche Rechte und Pflichten sie haben“. Das Bündnis90/Grüne erinnerte gestern daran, daß das Bundesdatenschutzgesetz nach einem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Datenschutz bereits „antiquiert war, bevor es in Kraft trat“. Entschieden verwahrte sich Einwaag gegen „unberechtigte Angriffe“ auf den Datenschutz. Den insbesondere in Unionskreisen erhobenen Vorwurf, daß der Datenschutz die Terrorismusbekämpfung behindert habe, wies er als larmoyantes Manöver zurück: Es sei „zu durchsichtig, nach jedem Terroranschlag, bei dem man die Täter nicht faßt, den Datenschutz als Sündenbock für Erfolglosigkeit bei der Fahndung darzustellen“.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte gestern deren stellvertretender Vorsitzender Paul Laufs (CDU) unverdrossen, daß der Datenschutz bei der Spionageabwehr oder der Terrorismusbekämpfung auf „klare Grenzen“ stoße. Laufs sattelte auf seine Kritik eine altbekannte Forderung auf: „In diesen Bereichen müssen auch die Stasi- Akten von den Sicherheitsbehörden genutzt werden können, ohne daß hierfür weitreichende Begründungspflichten abverlangt werden.“ Wolfgang Gast
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