: Kleines kapverdisches Kerlchen
■ Jorge Reis ist "Der Spieler"
Er wirkt lebendig, witzig, irgendwie schelmisch, ein wenig verrückt, aber auch abgeklärt und weise. Die Rede ist von Jorge Reis, dem „Kleinen Kerlchen“ (Reis) von den Kapverden, der ab Freitag drei Tage lang als Dostojewskis „Spieler“ in der Schauburg zu sehen ist. In der Rolle des Alexej wird er das Publikum mit dessen innerem Feind, dem Spieltrieb, konfrontieren und womöglich die Grenzen von Theater und Wirklichkeit verwischen.
Die Bühne wird leer sein, das Licht akzentuiert eingesetzt und das Publikum mit einbezogen. Bewegt wie sein Spiel, liest sich auch die Biographie von Reis. Geboren wird er 1941 in Kapverden. Doch bevor er erste Theatererfahrungen in Berlin sammelt, vergehen 17 Jahre. Theaterbesuche mit seiner Schulklasse hauen ihn nicht gerade vom Hocker. Die Bühne ist ihm zu überladen und die Figuren bestehen lediglich aus Sprache, haben jedoch kein Eigenleben. Intensiv spürt er, daß er nach etwas sucht, kann es aber lange Zeit nicht benennen.
Die große Wende kommt mit einer Begegnung, die ihn bis zum heutigen Tag in seiner Arbeit als Schauspieler, Regisseur und seit neuestem auch als Drehbuchautor bestimmt. Nach der „Sommernachtstraum“-Aufführung von Peter Brook 1971 in Bochum, trifft er in einem Cafe auf einen Mann, der Bescheidenheit und Größe ausstrahlt. Sie kommen ins Gespräch. Reis erzählt: Ihn begeistere die leere Bühne, das Wenige, nicht Überladene. Erst „der Sommernachtstraumm“ habe ihm das Theater näher gebracht. Sein Gegenüber läßt ihn erzählen, nickt ihm freundlich zu, drückt ihm das Buch „Der leere Raum“ in die Hand und geht. Kein anderer als Peter Brook war es, der Reis gab, wonach er so lange suchte: Ein neues Theaterverständnis.
Und so wird Reis Schauspieler aus Leidenschaft. Einen Namen macht er sich u.a. durch die Dramatisierung der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig im Jahre 1982. Besonders fasziniert ist er von dessen Sprache zwischen den Zeilen, denn: Das Unsagbare, das Fühlbare fordere den Schauspieler heraus.
Diese Herausforderung nimmt Reis als „Alexej“ in Dostojewskis „Spieler“ an. Indem Reis die Handlung auf eine Person reduziert, entsteht eine eher erzählende Spielweise, die Sehgewohnheiten möglicherweise aufbricht. „Der Spieler“ als eine Art von Interaktion zwischen Schauspieler und Publikum? Wir können gespannt sein.
Ilonka Mignon Meier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen