Primus & Limbomaniacs

Funk und Brei: Primus (photo: eastwest)

Primus & Limbomaniacs

Es war wieder mal so eine typische Nacht. Viel Bier und anderes floß die Kehle hinunter — jetzt wenige Stunden danach folgt der qualvolle Weg in einen neuen Tag hinein, von dem es nur die eine Erwartung gibt, daß am Abend wieder etwas Außergewöhnliches passieren möge.

Für den Moment bleibt nur die Vorstellung von Unbekanntem, von dem man nicht weiß, ob es gut oder schlecht bekommt. Die Kulisse ist die nordkalifornische Bay Area. Bereits früh morgens sticht einem die Sonne die Augen aus. Aus dem Radio quillt ein merkwürdiger Brei aus Funk, Jazz und kreischenden Metal-Gitarren sowie die nervöse Stimme eines Sängers, der einem ohne ihn gesehen zu haben, bereits an den Fingernägeln kauen läßt. Die Gehörgänge wissen nicht, was sie tun sollen, welche Signale sie empfangen sollen und welche nicht; sämtliche Reiz-Reaktions-Schemata sind ad absurdum geführt. Jeder Ton dringt eigenwillig an einer beliebigen Stelle des Körpers ein.

Was ist das?

»Psychedelic Polka«, meint Les Claypool, Bassist, Sänger und Oberprimaner des kalifornischen Trios Primus, die derzeit hierzulande unterwegs sind.

Bereits seit '84 tobt die Musik von Primus durch Kalifornien, wobei sie sich in San Francisco festzusetzen vermochte, was dann schließlich mit einem Major-Vertrag für ein drittes Primus-Album endete.

»Sailing On The Seas Of Cheese«, so der passende Titel ihres Major-Debüts, auf dem sie unseren Hirnwindungen keine Gnade gewähren. Mit ihrem extrem basslastigen Funkcore stellt Primus bisherige Crossoverorgien völlig in den Schatten. Sich durch diese neue Platte zu hören, ist tatsächlich wie Tretbootfahren auf einem warmen Käsebottich. Nur sehr langsam dringt man durch das Tonlabyrinth der Kalifornier, das zahlreichen Stilrichtungen Platz gewährt. Drummer Tim Alexander wird auch als Eklektizist bezeichnet, was laut Duden griechisch ist und nicht weniger bedeutet, als daß sich jemand aus verschiedenen philosophischen Systemen das ihm Passende heraussucht. Resultat: Alexander trommelt auf jede beliebige Art, sei es als Jazztrommler oder als Mitglied eines Percussion-Ensembles, während Gitarrist Larry LaLonde eher auf jaulenden Zappa-Pfaden wandelt.

Die eigenwillige Kombination der Musik von Primus wird von Claypool als eine Art Cartoon bezeichnet. Ihre Musik äußere sich ähnlich wie Zeichentrickfilme: lyrisch, visuell und vor allem laut. Gerade das Richtige für TV-süchtige Großstadtkids, meint Claypool.

Es ist Musik, die der Katerstimmung nach einer langen Nacht mit all ihren Wirren am ehesten gleicht — mit all ihren Dissonanzen und Wechseln. Ihr ständiges Auf und Ab in Rhythmus und Tempo entspricht dem alltäglichen Torkeln durch den urbanen Dschungel.

So wie der allmorgendliche Schwur, heute mal alles ganz anders zu machen, und wie es dann doch wieder so gemacht wird, wie es bereits gestern war, ist auch der Primus-Sound etwas, was zwar nicht geliebt, aber immer wieder gehört werden muß.

Für Primus ist Musik eine Philosophie. Sie ist eine Weltanschauung aus der Sicht eines Anglers, könnte man meinen. Frontmann Claypool ist begeisterter Angler, was an einigen Textstellen deutlich zum Ausdruck kommt.

»Beim Angeln kann man herumhängen und sich entspannen. Und vielleicht kommt dabei auch noch ein Dinner heraus«, erzählt der Sänger.

So ähnlich verstehen Primus ihre Art, Musik zu machen. Sie beschreibt genau wie das Angeln eine Lebensart, mit dem Ziel, durch sie zu leben. »And hey, maybe it's even a dinner.« Jürgen Zilla

Für die Limbomaniacs besteht die Lebensphilosophie in der Hauptsache aus Sex, morgens, abends, mittags, vorne und hinten, so daß an dieser Stelle bei zunehmender Schamesröte auf Textbeispiele ihres »Buttfunkin'« verzichtet werden muß. Die Frau in der Band scheint es allerdings nicht zu stören, und Geld stinkt bekanntlich auch nicht mehr, seit es die Form von Visakarten angenommen hat. »Stinky« sind hingegen die »grooves«, wie die Band es vom Cover der letzten Platte neonleuchtend verkündet. Damit meinen sie wahrscheinlich das, was sich bei grobem und feinerem Hören immer noch und nur als GoGoMetal herausstellt. Viel Sex, keine Drugs und ein wenig Funkenklein.Primus und Limbomaniacs ab 20.30 Uhr im Loft. Dr.Bla