Wider und mit Regeln der Marktwirtschaft

■ Zum Beginn der Film- und Peformance-Reihe »Perlen für die Säue«

»Angriff ist eine Lust«, so wird »Perlen für die Säue«, das »Pornoheft« zum gleichnamigen Multimedienprojekt angekündigt. Angegriffen wird, und zwar auf breiter Ebene. Angegriffen werden Gewohnheiten wie der alltägliche Sexismus in Werbung und Kulturbetrieb. Alle jenen Plakaten und Abbildungen, die vor nicht allzulanger Zeit nur schüchtern mit dem aufgeklebten Kennwort »frauenfeindlich« bedacht wurden, schleudert frau jetzt vehement ihre obszöne Antwort entgegen. Von Werbung geprägte Sehgewohnheiten werden hinterfragt, indem ihr sexistischer Charakter bloßgestellt und persifliert wird. In den kommenden sechs Wochen werden uns »schamlos abnorme« Plakate im Großformat von den Wänden im Berliner Stadtbereich entgegenstrahlen.

Doch nicht genug damit. Für kein Produkt wird geworben, sofern es nicht käuflich ist, und in diesem Punkt beugt sich das Projekt ganz den Regeln der freien Marktwirtschaft. Kunst kann man kaufen — Pornograhie auch. Unter diesem Aspekt werden alle erdenklichen Artikel aus den beiden genannten Bereichen, deren Abgrenzung niemand ganz genau kennt, ausgestellt. »Alles könnt ihr ansehen. Etwas dürft ihr anfassen. Manches könnte ihr kaufen«: Die (obskuren) Objekte der Begierde, eine konzentrierte Mischung aus Kunst, Bosheit und Pornosatire, stehen im »Laden für Nichts« bereit.

Trotz des karikaturistischen Charakters der Werbeaktion und der ausgestellten Objekte steht der Inhalt, der die Arbeiten der Künstlerinnen miteinander verbindet, im Vordergrund: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. Am stärksten dürfte dieser in der Filmreihe zum Ausdruck kommen, in der unter dem Motto »obszön — human — sekret« an neun Abenden über 100 Filme sowie 10 Performances zu sehen sein werden. Die subjektiv getroffene, dennoch repräsentative, internationale Auswahl zeigt verschiedene Ansatzpunkte und Haltungen, »von der Verweigerung der Abbildbarkeit des Sexuellen bis zur experimentellen Selbstinszenierung und authentischen pornographischen Präsentation«. Ebenso unterschiedlich wie diese Haltungen sind sowohl die Hintergründe als auch die Absichten der einzelnen FilmemacherInnen. In der bunten Mischung des Filmprogramms finden sich Arbeiten der »Pionierin« Valie Export, die bereits in den frühen 70er Jahren mit Aktionen provozierte und als geistige Urheberin mancher der anderen Produktionen gesehen werden kann, neben B-Movie- Regisseurin Doris Wishman, deren Streifen »Deadly Weapons« seine Parallele am ehesten in Filmen Russ Meyers oder H.G. Lewis findet.

Der Bogen spannt sich von »richtigen« Pornos über Filme der New Yorkerin Annie Sprinkle, die aus dem männlichen Millieu kommmerzieller Pornographie kommt und die die Sexindustrie, zur Kunst erhoben, ad absurdum führt, bis zu Arbeiten, denen von weiten Teilen des Publikums jeglicher erotische Charakter abgesprochen wird. Als bestes Beispiel dafür steht Regine Steenbocks »Vel«, ein Film, der mit dokumentarischen Nahaufnahmen aus dem Bereich der plastischen Chirurgie bereits CineastInnen mit harten Mägen aus den Kinos trieb.

Aufgearbeitet werden können all diese »schrecklichen« Bilder in den Diskussionen und Workshops, denn kontrovers werden viele der gezeigten Filme sein. Oft werden nicht nur patriarchalische Tabus gebrochen, sondern auch feministische angekratzt. Daß die Meinungen geteilt sind, zeigen Reaktionen aus der jüngsten Vergangenheit auf Produkte des US-Undergrounds, ebenfalls bei »Perlen für die Säue« zu sehen, an denen sich die Gemüter derartig erhitzten, daß ganze Kinoeinrichtungen dem Zorn zum Opfer fielen.

Anfang der 70er Jahre, als das pornographische Kino mit »Hard-Core«-Produktionen seine wildesten Blüten trieb, erhoffte sich Amos Vogel, Filmkritiker und Begründer des New York Filmfestivals, daß dieser Bereich durch den Einzug von Regisseurinnen seinen sexistischen Charakter verlieren würde. Ob sich seine Hoffnung inzwischen erfüllt hat, wird vielleicht das Filmprogramm »Perlen für die Säue« zeigen. K. Wolf

Heute Eröffnungen im Laden für Nichts und im Eiszeit-Kino. Diese und alle weiteren Termine unter der Rubrik »Kunstmisch« und »Kino« (manche nur für Frauen!)