Es reichte nur zu Höflichkeitsbesuchen

■ Neue Buchreihe über Frauenstudien in Kunst und Wissenschaft/ Hanna Höch und Mythos von Weiblichkeit und Opfer

»Der Künstler-Mann ist Frau und Mann zugleich: deshalb braucht er keine Frau zu haben. Die Künstler- Frau ist niemals ein vollständiger Künstler, also kann man nicht sagen, daß sie keinen Mann nötig hat.« (Piet Mondrian).

Auch wenn Künstler in den zwanziger Jahren antraten, um die herkömmliche Geschlechterhierarchie zu zerstören, blieb ihr Anspruch im Alltag jedoch nur Theorie. Eine der wenigen Frauen, die sich im Kreis der Dadaisten behaupten konnte, war Hanna Höch. 1989 wäre sie 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlaß fand in der Berliner Akademie der Künste ein dreitägiges Symposium statt, zu dem jetzt im Orlanda- Frauenverlag das Buch Da-da zwischen Reden zu Hanna Höch erschienen ist. Es begründet zusammen mit Schrift der Flammen (herausgegeben von der Literaturwissenschaftlerin Gudrun Kohn-Waechter) eine neue Buchreihe unter dem Titel »Der andere Blick · Frauenstudien in Wissenschaft und Kunst«. Auftraggeberin dieser Reihe ist die Förderkommission Frauenforschung im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen.

»Hanna Höch«, heißt es im Vorwort zu den zwischen Reden, »erscheint uns als äußerst geeignete Ahnfrau für eine frauenkunstwissenschaftliche Veranstaltung, die dem Auseinanderstreben von Kunst und Wissenschaft, der strikten Trennung von Kunst und Leben, der Isolierung der Gattungen und anderen Separierungen entgegenwirken will.« Das Überschreiten festgelegter Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft findet sich ebenso in der Frauenforschung wieder.

Hanna Höch hat nicht nur gemalt, gezeichnet, gedruckt, montiert, collagiert und fotografiert. Sie hat auch geschrieben, Theaterkostüme entworfen, Puppen gebaut und Installationen arrangiert.

Der erste Teil des Buchs behandelt die Arbeiten von Hanna Höch nach verschiedenen Gesichtspunkten: ihr Privatleben, die gesellschaftlichen Bedingungen von Frauen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts sowie das Verhältnis der Avantgarde zu Künstlerinnen. Auch die Erfahrungen anderer Künstlerinnen werden in dem Buch herangezogen. Ihr Fazit im Kapitel Abschied vom 20. Jahrhundert: Künstlerinnen und Künstler leben auf der gleichen Erde, aber nicht in derselben Wirklichkeit. Auch in der Kunst des 20. Jahrhunderts kommen sie über gegenseitige Höflichkeitsbesuche nicht hinaus.

Der zweite Teil des Buches stellt die Ergebnisse mehrerer Workshops zu Hanna Höch vor. Fünf Künstlerinnen aus Musik, Literatur und bildender Kunst setzten sich während des Symposiums im Oktober 1989 jeweils mit einem Werk von Hanna Höch auseinander.

Schrift der Flammen, das ebenfalls im Orlanda-Verlag erschien, handelt vom Mythos »Opfer und Weiblichkeit«. Einige Kapitel widmen sich der Vergangenheit, beispielsweise der religiösen Bedeutung des Opfers während der Französischen Revolution und während der Aufklärung. Das Buch konzentriert sich jedoch hauptsächlich auf das 20. Jahrhundert. Das wichtigste Thema zu dieser Zeit ist die Auseinandersetzung der Frauenforschung mit dem Stand der Psychoanalyse. Ana

Jula Dech, Ellen Maurer (Hg.): »Da-da zwischen Reden zu Hanna Höch«. Orlanda Frauenverlag, Berlin 1991, 312 Seiten, 54 DM

Gudrun Kohn-Waechter: »Schrift der Flammen · Opfermythen und Weiblichkeitsentwürfe im 20. Jahrhundert«. Orlanda Frauenverlag 1991, 272 Seiten, 38 DM