Feurige Explosionen

■ Bilder von Herbert Achternbusch in der Galerie Cardoso-Ribeiro

Eigentlich wolle er endlich mal Sexfilme machen, erzählte Herbert Achternbusch vor ein paar Jahren. Er tat es dann doch nicht, vielleicht weil das Medium Film Erotik zu sehr festlegt oder weil er zu höflich und authentizitätsversessen ist, um seine Schauspieler Liebe spielen zu lassen. Doch seitdem der Filmer und Dichter, der in den sechziger Jahren seine bildnerischen Sachen vernichtet hatte und zwischen 1968 und 1984 keinen Pinsel mehr anrührte, wieder zum Maler wurde, gibt es auch wieder Sex. Weit entfernt von den angesagten europäischen Zwangssexdiskursen, in denen bemühte Körper sich kopflüstern anstrengen, frühkindliche Konflikte und alles und jedes kopulierenderweise aufzuarbeiten.

Statt dessen bestehen sechs sehr fernöstlich wirkende Bilder auf der Freude, die die nackten, meist sonnengelb leuchtenden Körper aneinander finden. Sechs Bilder für »sieben Jahreszeiten«: Weihnachten, umkränzt von Tannenzweigen und Weihnachtsbaumkugeln, Winter, Frühling, Ostern, Pfingsten, Herbst. Der »Sommer« hängt bei Kiepert. Kein Vater wird gemordet, kein Sado-Maso verspricht Hochglanzphilosophie und -befreiung; niemand denkt hier an Kastration. »Tuch weg— alles da« steht unter einem Bild der rosignackten Traumfrau »Auguste«. Achternbusch verehrt die traditionelle Malerei Japans und Chinas. Auf acht Rollen sehnt er sich in zenbuddhistischer Klarheit. Bayerische Haikus unterschreiben die einzelnen Bilder: »Geträumt von einer großen Frau/ Pfeil und Bogen genommen/ In den Garten gegangen/ Ich bin da.« Hoch, schmal und nebeneinander aufs Wesentliche beschränken sich: Körper, bäuerliche Werkzeuge, die weißgelben Autoscheinwerfer des suchenden Dichters (»Aufgeregt kam ich mit dem Auto«) und auch ein körnerpickendes Huhn.

Das »da« ist das wichtigste in einer Kulturbetriebsmaschine, die kastriert geschmiert läuft und in der jede Lebensäußerung obsolet ist. Auf manchen Bildern der Ausstellung sind die Farben und Formen zu entsetzt mit Inhalt durchtränkt, als daß sich die Kunstabnehmer von Banken und Versicherungen so was in ihre Räume hängen wollten. Zumal nicht klassisch ausgediente Soldatenmäntel oder Totenköpfe und abgerissene Gliedmaßen erhaben Antikriegsklischees verbraten. Statt dessen explodiert etwas feurig oder blutig, ein Osterhäschen schaut am Rande zu, oder Kampfinsekten am Boden starren sonnenbebrillt auf Kampfinsekten in der Luft: »Flieger begrüßen Flugzeuge«.

Von weitem stapfen drei Silhouetten durch den schmutzigblauen Tag. Irgend etwas und wen tragen sie auf dem Rücken als Kind. Eine Tochter trägt den Vater, der als Sohn sich an sie klammert. Sie patschen fast auf die kleinen Boote, auf denen flüchtende Menschen aneinandergedrängt stehen. Die Boote sehen aus wie Pfützen. Das Blau ist dreckig, irgendwo zwischen braun, grün, blau und schwarz wie das Wasser des Tuschglases, in das man den Pinsel zu oft schon getaucht hat.

Achternbusch malt sehr schnell, atemlos manchmal, wie er schreibt oder filmt, in Wasserfarben, auf Zeitungen oder auf Din A3 Japanpapier, das er, wenn das Format es erfordert, aneinanderklebt. Vieles wirft er gleich wieder weg. Anderes — zwischen 1984 und 1991 entstanden— findet sich noch bis zum 20. Juli in der Galerie Cardoso-Ribeiro. Detlef Kuhlbrodt

Herbert Achternbusch: Arbeiten auf Papier. Galerie Cardoso-Ribeiro, Riemannstraße 10, 1-61, U-Bahn Gneisenaustraße; Donnerstag u. Freitag 15-19, Samstag 12-15 Uhr sowie nach Vereinbarung (6934403).