Im SFB zensiert der Chef noch selbst

■ Ein kritischer Kommentar über den Rundfunkbeauftragten Mühlfenzl durfte nicht gesendet werden/ Intendant Lojewski warf ihn aus »medienpolitischen Gründen« aus dem Programm/ Beitrag nimmt Mühlfenzls Politik im Funkhaus Ost-Berlin aufs Korn

Berlin. Kritische Auseinandersetzung mit dem Rundfunkbeauftragten für die FNL, Rudolf Mühlfenzl, ist beim SFB nicht erwünscht: Auf Anweisung von Intendant Günther von Lojewski (CSU-nah) wurde ein kritischer Kommentar des freien Hamburger Publizisten Otto Köhler am Dienstag dieser Woche kurzfristig aus dem Programm gekippt, obwohl er bereits anmoderiert war. Ein Sprecher des Senders begründete die Entscheidung mit »medienpolitischen Erwägungen«. Mit dem Kommentar hätte sich der SFB in innere Angelegenheiten der »Einrichtung« — gemeint ist damit der ehemalige DDR- Rundfunk — eingemischt, er sei deswegen »zunächst storniert« worden, hieß es gegenüber der taz.

In dem Kommentar, der im Journal in III laufen sollte und der taz vorliegt, setzt sich Köhler kritisch mit Mühlfenzl, »dem Rundfunkbeauftragten von Kanzlers Gnaden« auseinander. Köhler referiert zunächst die jüngsten Streitigkeiten zwischen dem Ex-Hardliner des Bayerischen Rundfunks und dem Stellvertretenden Intendanten im Funkhaus Ost- Berlin, Hildebrandt. Weil der unbotmäßige Hildebrandt gegen den sogenannten Maulkorberlaß von Mühlfenzl aufbegehrt hatte, wurde er, wie berichtet, vor kurzem entlassen. Genüßlich breitet Köhler in dem Beitrag weitere Details aus dem bayerischen Lobbyistenverein aus, der in Berlin für Rundfunkpolitik zuständig ist: Mühlfenzl nämlich setzte Hildebrandt einen Philip-Morris-Manager namens Ferdi Breidbach vor die Nase, der die Ost-Journalisten aus- und weiterbilden will — obwohl Hildebrandt dafür zuständig war. Zitat: »Er [Ferdi Breidbach, d. Red.] weiß, wie man ohne rot zu werden die Unwahrheit verbreitet.«

Für Intendant Lojewski war das Grund genug, den Kommentar kurzfristig aus dem Programm zu werfen. Der unermüdliche Streiter für die Dreiländeranstalt NOR hatte erst kürzlich mit öffentlichen Äußerungen geglänzt, in denen er den Ost- Kollegen vorwarf, den »Einstieg in ein totalitäres Regime« zu vollziehen. Sie hätten das Medium in der Hand und machten davon »schamlos Gebrauch«. An diese und andere »Einmischungen in die Belange der Einrichtung« konnte er sich in dieser Woche offensichtlich nicht mehr erinnern. Bereits in der Montagssendung wurde der Kommentar von Köhler abgesetzt, weil »juristische Belange« zu klären waren. Als sich diese als gegenstandslos erledigt hatten, sollte der Beitrag am Dienstag gesendet werden, wurde dann jedoch völlig gestrichen. Der Redaktionsleiter des Journal in III, Klaus Schulz, erklärte der taz, man hätte den Beitrag gerne gesendet, jedoch habe die Intendanz in medienpolitischen Fragen das letzte Wort. Er hätte auch nicht den prominenten Kommentarplatz erhalten, der im Journal regelmäßig den Anfang der Sendung bildet, »sondern sei geplant gewesen als ein kommentierender Bericht unter anderen«. Der Autor des anstößigen Kommentars war gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen. In leicht abgewandelter Form erschien der Kommentar in dieser Woche in der Hamburger Wochenzeitung 'Die Zeit‘. Kordula Doerfler

Siehe Dokumentation S. 23