Die Japaner können auch äußerst unhöflich werden

Frankreichs Handelskämpferin Edith Cresson provoziert harte Reaktionen  ■ Aus Tokio Georg Blume

Augenblicke, in denen die Höflichkeit aussetzt, bedürfen in Japan der besonderen Aufmerksamkeit. Plötzlich wird sichtbar, was oft jahrelang unausgesprochen bleibt. Einen solchen Augenblick erlebte am Mittwoch der französische Botschafter in Tokio, Loic Hennekinne. Unvermittelt wurde er ins Außenministerium zitiert, um eine beißende Rüge zu empfangen. Sie galt der neuen Regierungschefin in Paris, Edith Cresson, und mit ihr der gesamten EG.

„Allianzen mit japanischen Unternehmen sind möglich,“ hatte Cresson noch nach ihrer Ernennung zur Premierministerin im französischen Fernsehen befunden, „aber nur wenn sich Japan nicht wie ein Aggressor verhält.“ Das Wort „Aggressor“ brachte wohl in Tokio den Stein ins Rollen. Statt wie üblich den Buckel rund zu machen und politische Kritik aus dem Ausland echolos passieren zu lassen, gab das Tokioter Außenministerium diesmal dem Pariser Botschafter zu Protokoll: „Wir können nicht anders, als unsere Schockierung über die Worte der Premierministerin zum Ausdruck bringen, (...) und glauben, daß diese Bemerkungen einen bedauerlichen Effekt auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Japan haben.“

Trotz der zahlreichen öffentlichen Kontroversen mit Washington hatte Tokio bisher niemals eine offizielle Beschwerde gegen die US-Regierung ausgesprochen. Das zeigt, wie tief der Ärger sitzt. Zudem gilt die Rüge nicht nur Cresson. Ausdrücklich hatte sich vergangene Woche der Kommissionspräsident der Europäischen Gemeinschaft, Jacques Delors, während seines Japan- Besuchs hinter seine Landsfrau gestellt, ihre Worte als „Bedenken und Warnung“ verteidigt.

Doch am Tag der Ereignisse schienen sich in Tokio alle Sorgen der französischen Regierungschefin noch einmal zu bestätigen. Ausgerechnet am Mittwoch verkündete der größte skandinavische Computerhersteller, Nokia in Finnland, seinen Ausverkauf an den japanischen Konkurrenten Fujitsu, genauer gesagt an den englischen Hersteller ICL. 402,4 Millionen US-Dollar kostet der Deal. Damit avanciert der weltweit zweitgrößte Computerhersteller Fujitsu, dem seit November vergangenen Jahres ein 80-Prozent-Anteil bei ICL gehört, an die fünfte Stelle auf dem europäischen Computermarkt. Gleichzeitig kündigte ICL/Fujitsu an, daß man in Europa weitere Firmenaufkäufe beabsichtige.

Genau davor aber warnen Delors und Cresson. Ausdrücklich beteuerte der EG-Kommissionspräsident vor wenigen Tagen in Tokio seinen „Optimismus“ bei der Aufrechterhaltung einer autonomen europäischen Computerindustrie. Dazu die Pariser Regierungschefin Cresson am vergangenen Sonntag: „Es ist unzulässig, daß die Europäer in bestimmten Industriebereichen völlig von den Japanern abhängig werden.“ Schon im letzten Herbst warnte Cresson vor dem „nationalen Desaster in einigen Industriebereichen“ und meinte damit vor allem auch die Computerbranche.

Dennoch dürfte sich die japanische Regierung bei ihrer scharfen Cresson-Kritik zuvor rückversichert haben. Vielleicht nicht zufällig gastierte vergangene Woche auch die deutsche Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Seiler-Albring, in Tokio und verwahrte sich gegen die französische Japan-Kritik. „Auch ohne daß die Bundesrepublik über ein Miti (das japanische Außenhandels- und Industrieministerium) verfügt“, brüstete sich Seiler-Albring, „sind zwei Drittel aller japanischen Autoimporte deutsche Wagen.“ Gerade dem für das Management der japanischen Exporterfolge berüchtigten Miti werden von der EG unfaire Handelspraktiken vorgeworfen.