Billige Rostocker schleppen Bremer Kaffee

■ Hafenarbeiter aus der Partnerstadt malochen im Bremer Überseehafen

Donnerstag Mittag: Eine Gruppe von Hafenarbeitern aus Rostock schuftet vor Schuppen 15 im Bremer Überseehafen, um den Frachter „Freyburg“ zu entladen. Seit Beginn der Frühschicht um sechs Uhr haben sie Kaffeesäcke aus dem Bauch des Frachtschiffes auf Palletten gestapelt, die von Gabelstaplern dann im Schuppen verstaut werden. Jetzt um 12.30 Uhr müssen sie sich nochmals beeilen: „Keine Zeit, an der Dusche steht schon eine Schlange“, sagt einer. Denn um 13.30 Uhr geht's per Bus zurück nach Rostock.

Zwei Gruppen von Rostocker Hafenarbeitern malochen seit einigen Wochen in den Bremer Häfen. An manchen Tagen sind es 40 bis 50 Beschäftigte des Rostocker Seehafens, die nachts um 1.00 Uhr mit dem Bus in ihrer Heimatstadt losfahren, um rechtzeitig zur Frühschicht in Bremen zu sein. Aber nicht immer pendeln sie hin und her, letztes Jahr waren einige von ihnen zeitweise in der Jugendherberge in Syke untergebracht.

Wenn es genug Arbeit in Bremen gibt, kommen die Rostocker alle zwei Tage zur Frühschicht. Aber dafür gibt es keine Garantie. Die Leiharbeiter schuften auf Abruf. Am Donnerstag wußten sie noch nicht, ob sie heute wieder arbeiten sollen. Freitag hieß es dann: „Nein, Samstag nicht und Montag auch nicht.“

Die Hafenarbeiter aus Bremens Parnerstadt müssen die anstrengende Fahrerei und die Knochenarbeit an der Weser auf sich nehmen, weil im Seehafen an der Ostsee Kurzarbeit angesagt ist. Den Arbeitskräfte-Transfer regeln in Zusammenarbeit die Gesamthafen-Betriebe (GHB) in Bremen und Rostock. Zu den Aufgaben des Bremer Gesamthafen-Betriebsvereins gehört es unter anderem, den Firmen im Hafen zu jeder Zeit genug Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, und, wenn nötig, Aushilfsarbeiter anzuwerben. Dazu Dieter Prödel vom GHB Rostock: „Wir suchen hier Arbeiter aus, die gerade

"Wir bekommen 10 Mark 40."Foto: Tristan Vankann

nicht gebraucht werden.“

Ein ganz normaler Vorgang also im Zeichen des wirtschaftlichen Umbruchs in den „fünf neuen Bundesländern“? Nicht ganz. Die Rostocker Kollegen sind auch während ihrer Arbeitsausflüge nach Bremen weiterhin Beschäftigte des Rostocker Seehafens und bekommen dort den für Mecklenburg-Vorpommern üblichen Tariflohn von 10,40 Mark brutto pro Stunde. Der in Bremen gültige Lohn für Aushilfsarbeiter im Hafen dagegen beträgt 15,86 Mark. Die Differenz zwischen Lohn (Ost) und Lohn (West) werde den Arbeitern vom Bremer Gesamthafenbetrieb dazubezahlt. Rainer Müller, Geschäftsführer der ÖTV für Seehäfen: „Wir würden nicht zulassen, daß die Kollegen hier untertariflich bezahlt werden.“ Außerdem

bekämen die Rostocker Kollegen noch 60 Mark pro Fahrt als Reisekostenzuschuß, so Müller.

Also bezahlt der Rostocker Seehafen zwei Drittel des Lohns für Tätigkeiten, die Rostocker Arbeiter in Bremen verrichten? Dieter Prödel aus Rostock widerspricht dem nicht: 10,40 Mark aus Rostock, 5,46 Mark aus Bremen.

Ob die östlichen Leiharbeiter ihren westlichen Tariflohn tatsächlich bekommen, ist dabei noch fraglich. Im Bremer Hafen halten sich hartnäckige Gerüchte, daß die Kollegen aus Mecklenburg für 10,40 Mark schuften und basta. Und einer der Arbeiter vor Schuppen 15 fragte sich erst: „Dürfen wir das sagen?“, teilte dann aber mit: „Wir verdienen 10,40 Mark.“

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