Was ist afrikanisch am afrikanischen Film?

■ Produktions- und Vertriebsbedingungen in Afrika

Das afrikanische Kino hat heute, zu Beginn der neunziger Jahre, mit vielen Problemen zu kämpfen. Nicht wenige davon sind noch die gleichen, wie sie die Pioniere früherer Jahrzehnte kannten. Die Abhängigkeit der Filmemacher von ausländischem Kapital, die Dominanz westlicher Produktionen, der Mangel an afrikainternen Vertriebssystemen oder gar einem Netzwerk, das afrikanische Filme auf dem gesamten Kontinent vertreibt — das alles trägt weiterhin dazu bei, daß eine eigene, afrikanische Filmindustrie sich nicht entwickeln kann.

Vier Aufgaben sind für das Überleben und das Wachstum des afrikanischen Films zentral:

—die Afrikanisierung der Produktionen

—das Erreichen eines afrikanischen Publikums durch effektive und systematische Vertriebswege

—eine Stärkung der FEPACI (Panafrikanische Föderation der Filmemacher) als der Institution, die die Interessen der afrikanischen Filmemacher schützt, so daß sie ökonomisch stärker und schließlich unabhängig werden können

—schließlich die Forderung nach einer nationalen Filmpolitik in unseren Ländern, die eine Infrastruktur schafft, wie sie zur Stärkung und Entwicklung einer afrikanischen Filmkultur notwendig ist.

Wir müssen Verhältnisse schaffen, in denen unabhängige Filmemacher mit nationalen Filmgesellschaften koexistieren und ohne allzuviele Konflikte zusammenarbeiten können; Verhältnisse, die den Filmemachern sowohl erlauben, die Bevölkerung in ihrem Land zu unterhalten, als auch, sich ihren sozialen Konflikten zuzuwenden.

Trotz aller Schwierigkeiten produzieren afrikanische Filmemacher ihre Filme, selbst wenn völlig unklar ist, ob sie jemals vorgeführt werden oder gar einen Vertrieb finden. Gerade weil die westlichen Auftraggeber Filme für ihr heimisches Publikum erwarten und auch das Technikteam aus Ausländern besteht, ist es wichtig, daß afrikanische Produzenten die Kontrolle über das Produkt behalten — selbst wenn das seine eigenen Schwierigkeiten birgt. Selbstverständlich müssen auch hier Filmemacher auf Kompromisse eingehen, wenn sie weiterhin ihr Brot in diesem Beruf verdienen wollen. Aber es ist wichtig, daß Stil und Inhalt afrikanisch bleiben.

Die gesamte Produktion nach dem Drehen — Entwicklung, Schnitt, Tonmischung und Abzug der Kopie — wird im Ausland abgewickelt und ist daher in der Regel dem anderen, westlichen Blickwinkel ausgesetzt. Ich weiß von einem Fall, in dem eine Cutterin eine bestimmte Szene immer wieder zu lang und zu langsam herausfilterte. Der Film, der hätte gut sein können, wurde dadurch zu lang und langweilig. Als man sie fragte, warum sie das so und nicht anders gemacht hätte, antwortete sie: „Aber so ist das Leben in Afrika. Langsam.“

Die Zusammenarbeit zwischen afrikanischen und westlichen Regisseuren wird gerne praktiziert. Grundlage ist die Kooperation zwischen westlichem Geld und afrikanischem Rohmaterial. Diese Praxis aus den achtziger Jahren schützte vor allem das Interesse der Finanziers, war jedoch wenig dazu angetan, die Integrität der afrikanischen Regisseure zu stärken. Erzählstrukturen wurden zerstückelt und verändert, um westlichen Geldgebern zu gefallen. Mitten beim Drehen brachen Kleinkriege aus, wenn afrikanische Regisseure um die Kontrolle über ihre Filme zu kämpfen wagten.

Kurz gesagt: Wenn wir über die „Afrikanisierung“ unserer Filme sprechen, dann meinen wir die Kontrolle über den eigenen kulturellen Kontext und die eigenen Notwendigkeiten.

Warum werden afrikanische Filme nicht in Afrika gezeigt? Warum kennen Menschen auf unserem Kontinent nicht Schauspieler wie Sijiri Bakaba oder Regisseure wie Sembene Ousmane, Haile Gerima, Safi Faye, Med Hondo oder Souleyman Cissé? Das afrikanische Kino wird solange ohne Zukunft sein, als es nur einem besonders interessierten Publikum im Ausland bekannt ist und nicht in Afrika selber. In Tansania war es die französische Botschaft, die sich um die Propagierung des frankophonen afrikanischen Filmes in diesem Land bemühte; letztlich erreicht man so nur ein sehr begrenztes Publikum. Es gibt im Westen beträchtliche Aufmerksamkeit für das afrikanische Kino, und in fast allen größeren Städten finden Festivals des afrikanischen Films statt.

Aber würden die gleichen Leute, die den afrikanischen Filmemachern die Tickets für Filmfestivals im Ausland bezahlen, ebensolche Festivals in Accra und Dakar, Lagos, Dar es Sallam oder Timbuktu finanzieren? Mehr Filmfestivals in Afrika selbst, die die Fimemacher vom gesamten Kontinent einmal zusammenbringen — das wäre kein schlechter Anfang. Aber wenn ich in Tansania über Film spreche, verstehen die Leute Hollywood: Nur wenige wissen, was afrikanische Filme sind, wer sie macht und warum. Wir schulden ihnen eine Erklärung, und die Organisation der Panafrikanischen Filmemacher wäre der geeignete Apparat hierfür. Die Filmemacher Afrikas müssen ihn selber mehr nutzen und seine Fähigkeit stärken, die Vertriebswege in Afrika zu verbessern. Das wäre schließlich auch zu ihrem eigenen Nutzen.

Es gibt in Tansania 36 Kinosäle mit einer Sitzkapazität von 500 bis 900 Plätzen. Die meisten sind in privatem Besitz und wurden nach Angaben der Unesco 1977 von fünf Millionen Menschen besucht, das sind 25 Prozent der Bevölkerung. Die Regierungsorganisation Tansania Film Company (TFC) ist der einzige Filmvertrieb des Landes. Allerdings importiert die Gesellschaft selber keine Filme, angeblich aus Mangel an harter Währung; sie hat lediglich einen Vertrag mit einem einzigen Partner, der sämtliche Filme für alle 36 Kinos anschafft. Sein Repertoire scheint ausschließlich aus drittklassigen asiatischen Importen und westlichen Filmen zu bestehen, wobei erstere in mehreren indischen Sprachen und ohne Untertitel vorgeführt werden und letztere nur eine Ballung übelster Gewaltszenen sind.

Kürzlich besuchte ich das „Women of Colour Film Festival“ in Vancouver, Kanada, mit diesem Gedanken im Kopf, nämlich wie notwedig ein vernünftiger Vertrieb afrikanischer Filme in Tansania wäre. Wir diskutierten dort über den Vertrieb kurzer 16-mm-Filme, die ohnehin in den seltensten Fällen in kommerziellen Kinos auftauchen.

Um diese 16-mm-Filme zu zeigen, baute ich auf dem Dach unseres Hauses eine Art Open-Air- Theater, in dem bis zu 100 Menschen Platz finden können. Ich versuche jetzt, unser Haus zu einem Filmclub zu machen, in dem Filme gezeigt und anschließend diskutiert werden können. Ein Versuch, ein Forum für die Popularisierung des afrikanischen Films zu schaffen und dafür Publikum zu mobilisieren.

Seit Anfang 1990 habe ich auch begonnen, selber als Agentin für den Vertrieb afrikanischer Filme zu wirken und fing an mit dem Titel La Vie Platinée (Das platinbezogene Leben). Wir hatten 24 Vorführungen mit insgesamt 2.556 Zuschauern. Trotz vieler Schwierigkeiten und Einschüchterungsversuche durch Gruppierungen, die die Ausbreitung des afrikanischen Films nicht wünschen, einer Pressekampagne gegen uns und dem Boykott der Kinobesitzer war es ein Meilenstein für die Filmkultur in Tansania. Wir haben deutlich gemacht, daß die Zukunft des afrikanischen Films in Afrika liegt. Flora M'Mbugu-Schelling

Die Autorin ist Filmemacherin in Tansania. Sie drehte ihren ersten Film mit dem Titel Kumekucha 1986. Der vorliegende Text besteht aus Teilen eines Vortrags, den sie im Rahmen einer Konferenz über den afrikanischen Film im Juni 1990 in London hielt.