Vorsicht,Männer/Frauen!

Ob unterwürfig oder kastrierend — die Rolle der Frauen macht der indischen Filmzensur schwer zu schaffen  ■ Von Aruna Vasudev

Die indische Filmindustrie ist zwar generell frei und unabhängig, hat aber seit ihren Anfängen immer mit zensierenden Eingriffen der Regierung rechnen müssen. Allerdings gelang es ihr auch, sich mit gerichtlichen Maßnahmen gegen Regierungseingriffe erfolgreich zu wehren. In einem berühmten Fall brachten 1988 die Produzenten des höchst umstrittenen Films Pati Parmeshwar (Mein Mann, mein Gott) die Regierung wegen des Verbots dieses Films in Bombay vor das höchste Gericht — und gewannen. Die Regierung versuchte, in Revision zu gehen, wurde jedoch erst gar nicht zugelassen.

Dieser Fall illustriert wie kaum ein anderer die Besonderheiten und Schwierigkeiten, mit denen die Filmzensur in Indien zu kämpfen hat. Nach vielen Hinzufügungen zum Kinogesetz von 1952, die Ausführungsbestimmungen für Zensoren enthielten, gibt es jetzt zehn Regeln, die von Filmemachern zu beachten sind. Dabei geht es darum

—keine antisoziale Handlungen wie Gewalt zu verherrlichen oder zu rechtfertigen;

—die Arbeitsweise von Kriminellen nicht darzustellen oder andere Bilder und Worte, die zu Verbrechen führen könnten;

—keine sinnlosen Gewaltszenen oder Szenen der Grausamkeit zu zeigen ebensowenig wie Bilder, in denen der Alkoholismus gepriesen wird;

—das menschliche Gefühl nicht durch Vulgarität, Obszönität und Verderbtheit zu verletzen; keine Bilder oder Worte zu benutzen, die Frauen in nicht statthafter Weise gegenüber Männern als servil darstellen oder diese Servilität als lobenswerte Eigenschaft der Frauen darstellen;

—keine Bilder und Worte zu gebrauchen, die ethnische, religiöse oder andere Gruppen verächtlich machen;

—die Souveränität und Einheit Indiens nicht in Frage zu stellen;

—die Sicherheit des Staates nicht zu gefährden;

—freundliche Beziehungen mit ausländischen Staaten nicht zu beeinträchtigen;

—die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden;

—weder durch Bild noch durch Wort die Justiz zu diffamieren.

Dies alles ist allgemein genug gehalten. Es läßt den zensierenden Institutionen viel Spielraum, jedoch ist der Mangel an Präzision dieser Regeln nicht selten Grund zum Ärger für Regisseure und Produzenten. Szenen, die in einigen Filmen durchgelassen werden, sind in anderen schon rausgeschnitten worden, und keiner ist wirklich glücklich über die Erklärung, der Stil der Aufnahme sei der entscheidende Faktor. Ein Urteil hierüber ist immer subjektiv; zuviel hängt von der Haltung des individuellen Zensors ab. Auch der Name des Produzenten oder Regisseurs spielt eine Rolle: die Filme der „großen“ kommen durch, wo andere, die noch keinen Namen haben, auf Hindernisse stoßen.

Aber der Fall Pati Parmeshwar ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Der etablierte Regisseur R.K.Nayyar verletzte mit diesem Film ganz ohne Zweifel die fünf Jahre vorher eingeführte Regel, daß Frauen nicht in unstatthafter Weise als servil gegenüber Männern dargestellt werden dürfen. Er zeigte in seinem Film eine Ehefrau als ihrem Mann völlig unterwürfig und pries dieses Verhalten außerdem als lobenswerte Qualität einer Frau.

Vorgeblich sind die völlig unterschiedlichen Verhaltensmuster zweier Frauen einem Mann gegenüber das Thema des Films. Die eine tritt einen Rachefeldzug gegen ihn an, als er sie kurz vor der Hochzeitsfeier fallenläßt, da ihr Vater nicht in der Lage ist, eine plötzlich geforderte Extrasumme zum Brautpreis aufzubringen; die andere, die er anschließend wegen ihres Reichtums heiratet, macht sich zu seinem Fußabtreter und unterwirft sich jeder Demütigung, da sie glaubt, ihr Mann sei ihr Gott. Am Ende triumphiert ihr Martyrium, und in einem dramatischen Moment erkennt er schließlich ihre überwältigenden Qualitäten. Selbst wissenschaftliche und medizinische Weisheit wird kraftvoll beiseite gefegt: die plötzliche und unerklärliche Lähmung des Mannes wird geheilt durch einen Blitzschlag, den die Götter zum Lob und Preis des demütigen Weibes zu schicken belieben.

Die beiden Richter, die sich mit diesem Fall zu beschäftigen hatten, konnten sich nicht auf ein Urteil einigen. Richter Lentin war der Meinung, daß dem Film die Lizenz verweigert werden müsse, da „die vielgepriesene Löblichkeit des Ziel von Rekha (der Ehefrau), ihre Ehe um jeden Preis zu retten, diesen Film dennoch nicht von dem Vorwurf, Unterwürfigkeit als lobenswerte weibliche Eigenschaft zu zeigen, befreien kann“. Er fügte hinzu, daß Pati Parmeshwar sowohl „Anstand als auch Moral in großem Maße verletzt“, ein Urteil, das nicht einmal die Zensoren bei ihrer Entscheidung zum Verbot des Filmes bewegt hatte. Richter Agarwal jedoch war der gegenteiligen Meinung und zitierte einen früheren Richter, der den Fall zur Verhandlung zugelassen hatte: „(Rekha) zeigt beispielhaft die innere Kraft und den Charakter der indischen Frauen. Die Aufrechterhaltung ihrer Ehe ist oberstes Ziel, und sie ist deshalb zu allem bereit. Als wahrhaft Saubhagyavati (Glückselige) hält sie an den höheren Werten fest, die heute in so vielen Ehen in Indien nicht mehr gelten sollen.“

Das gleiche wurde wiederum von Richter Shah, einem dritten Richter, zitiert, an den der Fall verwiesen wurde, nachdem die beiden anderen sich nicht hatten einigen können. Er wies die Regierung mit der Begründung ab, der Film habe die Regeln nicht verletzt.

Der Versuch zur Revisionszulassung wurde vom Obersten Bundesgericht abgeschmettert, obgleich es zugab, daß eine rechtliche Grundlage dafür möglicherweise gegeben wäre. Die Entscheidung in diesem Fall ist deshalb so gravierend, weil sie eventuell eine Flut von Filmen auslöst, deren Frauengestalten nach konservativsten Wertvorstellungen modelliert sind — genau das, was die Richtlinien von 1983 zu verhindern suchten. Außerdem zeigt der Fall deutlich auf, wie sehr Subjektivität und individueller Geschmack selbst bei erfahrenen Richtern in solchen Angelegenheiten eine Rolle spielen. Frauengruppen hatten übrigens gegen diesen Film protestiert, der kommerziell ein Mißerfolg war.

Die Widersprüche der indischen Gesellschaft sind an einem weiteren Film aufzuzeigen, der fast zur gleichen Zeit wie Pati Parmeshwar gedreht wurde, Zakhmi Aurat (Die verwundete Frau). Die Schauspielerin Dimple Kapadia, die in Pati Parmeshwar die rachsüchtige Frau dargestellt hat, spielt hierin eine Polizistin, die mit Vergewaltigungsfällen konfrontiert ist. Da die Männer mit Hilfe eines schlauen Rechtsanwalts fast immer davonkommen, schließen sich die Frauen unter Leitung von Dimple Kapadia und einer Ärztin, deren Tochter vergewaltigt und ermordet wurde, zusammen, um auf die Täter Jagd zu machen und sie zu kastrieren.

Wie nicht anders zu erwarten, mußte eine solche Filmhandlung die Zensoren tief beunruhigen. Vor allem die Männer unter ihnen forderten sehr viele Schnitte, bevor sie dem Film das begehrte A-Zertifikat geben wollten. In dem Revisionsverfahren wurden jedoch viele dieser Schnittforderungen zurückgewiesen mit dem Argument, daß die Wirkung des Filmes dadurch verwässert würde. Daraufhin blieb auch die Szene drinnen, in der die Polizistin selbst vergewaltigt wird.

Das populäre indische Kino ist mit Sex und Gewalt gepfeffert; mindestens eine Vergewaltigung einschließlich der nachfolgenden Rache muß dabei sein — je blutiger um so besser. Nach diesem Muster funktioniert auch Zakhmi Aurat und ist erfolgreich, selbst wenn eine stringente Erzählstruktur sonst kaum auszumachen ist. Nonkonformistisch zeigt sich der Film allerdings in einer Episode am Rande, wobei der Verlobte der vergewaltigten Polizistin sie nicht fallenläßt, sondern zu ihr steht, obwohl die Presse ausführlich über die Vergewaltigung berichtet. Seine einfühlsame moralische Unterstützung für die Frau und die Selbstverständlichkeit, mit der er weiterhin von der geplanten Heirat ausgeht, ist eine radikale Absage an die üblicherweise ablehnende Haltung, die männliche Charaktere im populären Kino sonst einnehmen. Denn normalerweise ist Vergewaltigung eine schlimmere Katastrophe als der Tod; das Leben der Frauen ist damit vorbei.

Außerdem wird bei diesem Film nicht der Mann, sondern die Frau selber zum Rächer für das ihr und anderen Frauen Angetane. Unvermeidlich ist das reißerische Element, dennoch scheint er ein Versuch, in kommerzieller Form ein ernstes soziales Thema anzugehen.

Viele Produzenten, die mit der Zensur Probleme haben und hatten, zitieren diesen Film als Beispiel, weil er mit Szenen durchkam, die bei ihnen gestrichen wurden. Die Logik der Erzählung und die unübliche Nutzanwendung der Geschichte ist für einen durchschnittlichen indischen Filmemacher offenbar nicht leicht zu begreifen. Der Unterschied zwischen diesem Film und Insaaf Ka Taraz (Maße der Gerechtigkeit), der vor zehn Jahren von einem der bekanntesten Regisseure Bombays, B.R.Chopra, gemacht wurde, könnte größer kaum sein. Die Vergewaltigung einer Frau, gespielt von einer der bekanntesten Schauspielerinnen der Zeit, Zeenat Aman, wurde mit großer Liebe fürs sinnliche Detail aufgenommen; die Kamera agierte als Vergewaltiger und Voyeur. Gleichzeitig wurde in diesem Film die bequeme Annahme bestätigt, daß eine Frau, die vergewaltigt wird, dazu immer auch einlädt — eine Haltung, die in Zakhmi Aurat deutlich zurückgewiesen wird. Insaaf Ka Tarazu wurde damals als Anti-Vergewaltigungsfilm gehandelt, und die Zensoren ließen ihn ohne Kürzungen durch. Tatsache ist, daß auf ihn eine Flut von Vergewaltigungsfilmen folgte. Bombardiert mit einer Vergewaltigung nach der anderen in einem Film nach dem anderen, konnten die Zensoren kaum noch eingreifen, außer sie verbaten die Filme, weil Vergewaltigung nur noch als Provokation für äußerst gewaltsame Rachegeschichten diente.

Aruna Vasudev ist Chefredakteur der Zeitschrft 'Cinemaya‘, in der eine längere Version dieses Artikels erschien. Außerdem ist er Mitglied des Appellationstribunals der Indischen Film-Zertifikationsstelle.