„Antreten zum Sozialhilfefassen!“

Asylbewerber der Landkreise Aachen und Heinsberg sollen zur Registrierung antreten/ Wer nicht erscheint, kriegt keine Sozialhilfe/ Empfehlung vom Arbeits- und Sozialministerium  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) — Um naheliegenden Mißverständnissen vorzubeugen: gegen Asylbewerber „im allgemeinen“ hat man im Landkreis Aachen rein gar nichts. Flüchtlinge „im besonderen“ jedoch belasten die Sozialhilfeetats, und deshalb wird sich in den Rathäusern der Kommunen des Kreises am kommenden Dienstag ein sonderliches Schauspiel abspielen: an diesem Tag werden die Behörden der insgesamt neun Städte und Gemeinden für den Publikumsverkehr geschlossen sein. Statt dessen werden dort von 9 bis 12 Uhr sämtliche Asylbewerber bei den Ausländerämtern registriert. Erst unter Nachweis ihrer Identität wird ihnen die zustehende Sozialhilfe ausgezahlt. Wer zum festgesetzten Datum nicht erscheint, gilt als „nicht mehr vorhanden“ und hat Pech gehabt. „Wer am 4. Juni nicht da ist, kriegt für den Rest des Monats nichts“, erklärt Leo Leyendecker, stellvertretender Stadtdirektor der 12.000-Einwohner-Stadt Monschau im Kreis Aachen. Am 18. Juni soll die gesamte Aktion wiederholt werden, der sich inzwischen auch die Kommunen des Nachbarkreises Heinsberg angeschlossen haben. Insgesamt sind von diesem „Zählappell“ mit anschließendem Zahltag mehrere tausend Asylbewerber betroffen. Ziel dieser Großaktion soll die Verhinderung des Mißbrauchs der Sozialhilfe sein. Etliche Asylbewerber nämlich hätten sich die Sozialhilfe doppelt und dreifach auszahlen lassen, indem sie sich gleich bei mehreren Gemeinden registrieren ließen. Andere, die ihren regulären Aufenthaltsort in Belgien und den Niederlanden haben, seien zum Bezug des Geldes nur mal kurz über die Grenze gekommen.

Was zunächst wie die diskriminierende Einzelmaßnahme einiger rechtsstaatlich unbeleckten Lokalbürokraten aussieht, beruht jedoch auf einer amtlichen Empfehlung von höchster Stelle. Schon letztes Jahr nämlich hat das vom SPD-Mann Heinemann geführte nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialministerium zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Empfehlung herausgegeben. Auf zwei Schreibmaschinenseiten wird dort für die Vergabe der Sozialhilfe an Asylbewerber und „De-facto- Flüchtlinge“ ein gemeinsames Vorgehen angeraten. Punkt 2.4 der Empfehlung: „Um Mißbräuche (insbesondere Doppelbezug) zu vermeiden, soll die Barleistung für möglichst kurze Zeiträume, längstens für eine Woche, ausgezahlt werden. Es ist anzustreben, die Barleistung landeseinheitlich am Dienstag vormittag an die persönlich anwesenden Hilfeempfänger auszuhändigen.“

Auf welcher Rechtsgrundlage das Ganze beruhen soll, weiß man im Sozialministerium in Düsseldorf jedoch auch nicht genau. Denn das Bundessozialhilfegesetz kennt keinen Paragraphen, der bestimmten Bevölkerungsgruppen vorschreibt, an einem festgelegten Tag ihre Unterstützung zum Lebensunterhalt abzuholen. Tatsächlich zweifelt man denn auch im Ministerium daran, ob es rechtlich zulässig ist, Asylbewerbern die finanziellen Leistungen zu verweigern, wenn sie an einem anderen als dem vorgeschriebenen Termin ins Sozialamt kommen. Dann jedoch wäre die jetzt praktizierte und vom Ministerium empfohlene Maßnahme ohne jeden praktischen Nutzen. Die Stadt Aachen zumindest hat von sich aus schon die Konsequenzen gezogen: der Gesundheits- und Sozialausschuß hat die Empfehlung des Ministeriums als rechtswidrig abgelehnt und unmißverständlich beschlossen, ihr auch nicht zu folgen.