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Strohm-Ausfall

■ Klaus Löwitsch alias „Peter Strohm“ will den zu kurz geratenen Serienhelden begraben

Die gute Nachricht zuerst: Peter Strohm wird sterben. Und jetzt die schlechte: Der miserabelste aller deutschen TV-Detektive wird noch bis ins nächste Jahr hinein seine hanebüchenen Fälle lösen, bevor er sich serientechnisch von der Mattscheibe verabschiedet. Gern möchte man Klaus Löwitsch für die späte Einsicht beglückwünschen, hätte seine publicityträchtige Ausstiegsmeldung nicht jenen unangenehmen Balzgeruch. Die Lebensbeichte eines verkannten Genies verkaufte er, wie es sich für einen selbsternannten Macho gebührt, dem „Herrenmagazin“ 'Playboy‘. Im Interview der Juni-Ausgabe offenbarte er, daß nach der vierten Staffel der ARD-Krimiserie — die dritte ist gerade in Arbeit und wird ab Herbst ausgestrahlt — endgültig Schluß sein soll. „Der Peter Strohm ist dann abgeflutscht.“

Daß TV-Stars ihren Abgang pressewirksam vorbereiten, ist ja nichts Weltbewegendes. Vor einiger Zeit hat sich Götz George von seinem Duisburger TV-Revier losgesagt, und sein Tatort-Kollege Manfred Krug streut auch schon länger das Gerücht, er werde nicht mehr lange den Berliner TV-Kommissar Stoever mimen. Ihre Kritik klingt ähnlich: „saumäßige Drehbücher“ (Krug) und festgefahrenes Serienimage. „Ich finde Action ohne menschlichen Konflikt langweilig“, gestand Löwitsch der 'Playboy‘-Interviewerin in bezug auf seine schwindende Strohm-Identifikation, ohne jedoch zu erwähnen, daß jeder Film auch nur so gut oder schlecht ist wie seine Schauspieler. Was den ZuschauerInnen in den 45-Minuten- Krimis an Stories geboten wird, wirft tatsächlich kein Glanzlicht auf Drehbuchautoren und Serienregisseure. Mal muß Löwitsch alias Strohm die hochsensible Aids-Datei eines Arztes aus den Händen unbedarfter Computerfreaks entreißen, wobei er noch ganz nebenbei einen Drogenring entlarvt, eine Hubschrauberfahrt über die Alpen vollführt, bevor er Arztgattin Vera Tschechowa vernaschen darf. Dann wieder deckt er auf der Jagd nach zwei Ganoven zufällig einen Skandal um Gifttransporte in den Nahen Osten auf oder schlägt sich mit trotteligen Computerhackern rum.

Während ein Götz George jedoch auch bei schlechter Dramaturgie immer noch eine passable Figur macht, wirkt Löwitsch in den Strohm-Serien nur lächerlich. Da helfen potenzstärkende Accessoires — schwarzer Mercedes mit Funktelefon, Pistole und glatzköpfige Schlägervisage — genausowenig wie die Tatsache, daß er fast alle Stunts selbst erledigt. Im Nadelstreifenanzug pirscht sich der 169 Zentimeter kurze Privatdetektiv an Gangster und Frauen heran wie eine Bulldogge mit rosa Schleifchen.

Für seine mangelnden Starqualitäten hat Löwitsch drei Buhmänner ausgemacht: die Presse, weil sie ihn nicht genug lobt, die Intellektuellen, die „bis auf wenige Ausnahmen einfach inkompetent“ sind, und die Filmemacher. Fassbinder, mit dem er Dispair — eine Reise ins Licht und Welt am Draht gedreht hat, sei der einzige gewesen, der seine „Idolkapazitäten“ erkannt hätte. Nun ist das große deutsche Filmwunder leider tot, und von den lebenden Regisseuren fällt ihm im 'Playboy‘-Interview nur Margarethe von Trotta ein, mit der er ebensowenig zu tun haben will wie mit Wim Wenders (was wohl auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte). Neben Allerwelts-Koketterie eines krisengeschüttelten Künstlers („Ich bin auch schon mal im Knast gewesen... Ich denke häufig ans Sterben...“), schwülen Bekenntnissen eines alternden Frauenhelds („Ich bin gern in Gesellschaft einer guten Frau... Ich brauche keine sexuelle Bestätigung...“) ist es vielleicht die eine salopp dahingesagte Äußerung, die Kritiker in Zukunft ernst nehmen sollten: Seit seinem 30. Lebensjahr geht Herrn Löwitsch sein Beruf auf den Wecker. Okay, es gibt ja auch andere nette Beschäftigungen außer der Schauspielerei. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Abendgymnasium. Denn die Tatsache, ohne Abitur im Leben zu stehen, macht dem 55jährigen noch heute zu schaffen („Man hat mit Abitur ein ganz anderes Denken“). Und dann kommt dem zwergwüchsigen Knattermimen doch noch die alles erhellende Erkenntnis: „Die einzige große und intellektuelle Leistung meines Lebens war der Entzug“. Ganz genau! Der Abschied vom Peter-Strohm-Gebrechen wird die zweite. Ute Thon

Heute abend wird in der ARD ab 20.15 Uhr wieder eine „Peter- Strohm“-Serie abgewickelt: diesmal beim Roulett-Spiel.

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