Indien-betr.: "Attentat auf einen kollektiven Traum" (Kommentar von Simone Lenz), taz vom 23.5.91

betr.: „Attentat auf einen kollektiven Traum“ (Kommentar von Simone Lenz), taz vom 23.5.91

Rajiv Gandhi hat nicht ernstlich versucht, Indien auf einen liberalen Wirtschaftsweg zu bringen. Niemals hatte die Kongreß-Partei ernsthaft im Sinn, der Staatsklasse ihre einträglichen Pfründe wegzunehmen. Noch immer gängige Praxis ist die unsägliche Lizensierungspraxis, nach der sich auch Privatbetriebe jede Produktionssteigerung, Sortimentserweiterung etc. von einer korrupten Bürokratie genehmigen lassen müssen. An der Beseitigung dieser Mißstände ist auch Rajiv Gandhi gescheitert.

Ebenso wenig ist Indien ein „hochverschuldetes Entwicklungsland“; die Verschuldung Indiens hält sich (noch) in durchaus erträglichen Grenzen. Nicht umsonst war Indien jahrzehntelang der „Darling“ des IWF. Die immer prekärer werdende Lage Indiens liegt nicht begründet in „der wachsenden Verschuldung bei der Weltbank“, sondern in der Unfähigkeit der regierenden Staatsklasse, da ein kapitalistisches Produktionssystem zu etablieren, das die breiten Massen nicht vom zunehmenden volkswirtschaftlichen Gesamteinkommen ausgrenzt. So gesehen, führt der mitnichten „hinduistisch- integralistische“, sondern vielmehr entzweiende Weg der BJP in eine Sackgasse, da er bestehende Ungleichgewichte nicht beseitigen, sondern zementieren beziehungsweise verstärken wird.

Was soll denn die Zeile: „Es hat den falschen erwischt!“ bedeuten? Kann man den einen „richtigen“ erwischen? Und wenn ja, wen dann? Rainer Merz, Konstanz