„Deutscher Meister wird nur der FCK“

Werder Bremen — 1. FC Kaiserslautern 1:2/ Die Bremer und Lauterer Fans feierten in einem gigantischen Freudenfest gemeinsam den mutmaßlichen neuen Deutschen Meister  ■ Vom Fest Holger Bruns-Kösters

Bis zur 62. Minute war es ein gutes Bundesligaspiel im Bremer Weserstadion. 1:1 stand es zwischen Werder und Kaiserslautern und der Unterschied zwischen beiden Mannschaften betrug genau die Maßeinheit „einen Ehrmann“. Der Kaiserslauterer Torwart hatte immer wieder beste Bremer Chancen zunichte gemacht und nur einen unhaltbaren Schuß von Allofs passieren lassen. Sein Gegenüber Reck dagegen hatte wieder einmal seinen Patzertag und ließ einen Eckball von Guido Hoffmann durch die weit geöffneten Beine ins Tor rollen.

Doch dann, noch bevor es die Anzeigentafel meldete, fingen plötzlich in beiden Fankurven die Gesänge an. „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, schallte es aus Ost und West. Grün-weiße und rote Fahnen flatterten einträchtig in der Sonne. Kurz darauf kam es schwarz auf gelb: Wattenscheid — Bayern 1:1. Und während sie noch hüpften, sangen und schwenkten, war plötzlich der Lauterer Markus Schupp alleine vor Reck, und es stand 2:1 für den FCK. Und die Bremer Fans schwenkten die Fahnen und riefen: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“

Es war eine Konstellation, wie sie besser nicht inszeniert werden könnte: In Wattenscheid die von allen Fans, außer den eigenen, gehaßten Bayern, in Bremen zwei Mannschaften, deren Fans seit Jahren eine innige Freundschaft pflegen. Und die Kommunikation zwischen beiden Spielorten lief in Sekundenschnelle über Radio und die Anzeigentafel. Die zeigte zehn Minuten später: 2:1 für Wattenscheid. Da war es fast egal, daß die Bremer im Dauerlauf auf das Kaiserslauterer Tor zuliefen. Keine „Werder, Werder“- Rufe von den Rängen, erst recht keine Pfiffe. Beinahe erleichtert nahmen die Bremer Fans zur Kenntnis, daß Werders bekennender Christ Wynton Rufer bei einer exzellenten Kopfballchance alleine vor Torwart Ehrmann Gnade vor Recht ergehen ließ und den Ball über die Latte nickte. Und dann, das ganze Weserstadion feierte Lautern bereits als Meister, ein Stöhnen im Stadion: 2:2 in Wattenscheid. Doch das Wattenscheider 3:2 eine Minute später rettete ein in der Bundesliga bislang einmaliges Freudenfest. Da liefen die Lauterer nach dem Schlußpfiff ihre Ehrenrunde bis in den völlig begeisterten Werder-Fanblock; da machte eine geschickte Stadionregie die Tore zum Spielfeld auf; da kugelten sich grün-weiße und rote Fans gemeinsam auf dem Rasen und donnerten ihr „Zieht den Bayern die Lederhose aus!“ ins Tribünenrund, auf dem die Zurückhaltenderen verharrten, um das Treiben auf dem Rasen auszukosten. Und da revanchierten sich die Kaiserslauterer bei den Bremer Fans mit dem Schlachtruf: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, obwohl einzig die Bremer nach Berlin fahren werden, um vielleicht nach zwei vergeblichen Anläufen dieses Jahr deutscher Pokalsieger zu werden.

„Diese Feier da draußen haben die Bayern selbst verdient“, freute sich kurz danach FCK-Trainer Kalli Feldkamp. Und auch Werders Trainer Otto Rehhagel befand: „Ganz Deutschland hofft, daß der FCK deutscher Meister wird.“ Dazu fehlt den Lauterern aus zwei Spielen jetzt noch ein Pünktchen und damit nichts mehr schief geht, will Feldkamp seine Spieler notfalls ab Mittwoch in einem Trainingslager vor den fußballverrückten Lauterer Fans in Sicherheit bringen. Für die Sprücheklopfer von der Isar hatte Feldkamp im Hochgefühl des Sieges selbst nur noch'n Spruch: „Europacup, Pokalsieg, Meistertitel, alles weg. Hoffentlich erreichen sie noch den UEFA-Cup.“ Derweil hatten sich bereits hunderte von Fans aus Bremen und Kaiserslautern beim Mannschaftsbus der Pfälzer eingefunden. Und sangen und tanzten: „Deutscher Meister wird nur der FCK.“ Das Dankeschön der Lauterer: „Tschüß bis zum Supercup.“ Dann nämlich, wenn Deutscher Meister und Deutscher Pokalsieger zum Vergleich aufeinander treffen.

Werder Bremen: Reck — Bratseth — Borowka — Wolter, Votava, Bode, Eilts, Harttgen, Herrmann (80. Bockenfeld) — Rufer, Allofs

1. FC Kaiserslautern: Ehrmann — Kuntz — Friedmann, Dooley — Schupp, Scherr, Hotic, Goldbaek (74. Haber), Hoffmann, Kranz — Labbadia (84. Lelle)

Zuschauer: 31.500; Tore: 1:0 Allofs (16.), 1:1 Hoffmann (26.), 1:2 Schupp (64.)