Nordirland—Gespräche vor dem Scheitern

Bei IRA-Anschlag kamen drei nordirische Soldaten ums Leben/ Mehrparteiengespräche verschoben  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die Gespräche um die Zukunft Nordirlands stehen kurz vor dem Scheitern, noch bevor sie überhaupt begonnen haben. Am Wochenende ging der britische Nordirlandminister Peter Brooke mit einer neuen Namensliste hausieren, nachdem die Unionisten, die für den Verbleib Nordirlands im Vereinten Königreich eintreten, am Donnerstag den ehemaligen britischen Außenminister Lord Peter Carrington als Verhandlungsleiter abgelehnt hatten. Carrington hatte sich bereit erklärt, die zweite Verhandlungsphase zu leiten, in der sich die Unionisten zum ersten Mal mit der Dubliner Regierungen an einen Tisch setzen sollen. Die Führer der beiden unionistischen Parteien, Ian Paisley und James Molyneaux, beschuldigten Brooke, die Nachricht hinterrücks lanciert zu haben, um die Sache der Unionisten zu diskreditieren.

Die internen Mehrparteiengespräche, die bereits vor fünf Wochen beginnen sollten, mußten immer wieder verschoben werden, weil man sich nicht über die zweite Phase einigen konnte. Neben dem Gesprächsleiter waren auch der Verhandlungsort sowie die Tagesordnung umstritten. Die beiden letzteren Punkte konnten jedoch inzwischen ausgeräumt werden. Die katholischen Sozialdemokraten (SDLP) bestehen aber nach wie vor darauf, auch den dritten Streitpunkt vor Beginn der ersten Gesprächsphase zu klären, weil sie befürchten, daß sich die Unionisten ein Hintertürchen offenhalten wollen, um ein Zusammentreffen mit der Dubliner Regierung zu vermeiden.

Die Ablehnung Lord Carringtons war allerdings vorauszusehen. Als ehemaliger britischer Außenminister war Carrington Anfang der siebziger Jahre maßgeblich an der Abschaffung des unionistisch dominierten nordirischen Parlaments und an den Geheimverhandlungen mit der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) beteiligt, die schließlich zu einem kurzlebigen Waffenstillstand führten. Vor allem werfen ihm die Unionisten vor, der Architekt des britisch-irischen Abkommens von 1985 zu sein, das Dublin Beratungsrecht in nordirischen Angelegenheiten einräumt und deshalb von den Unionisten vehement bekämpft wird.

Die Unionisten legten am Freitag eine Liste mit neun Namen vor, die jedoch geheimgehalten wurden. Brooke wertete das als Zeichen, daß seine diplomatische Mission, die er über 15 Monate in Einzelgesprächen vorbereitet hatte, noch nicht ganz verloren sei. Allerdings rennt ihm die Zeit davon: Die Frist, in der sämtliche Gesprächsphasen über die Bühne gehen sollten, läuft in sechs Wochen ab. Selbst Optimisten glauben nicht, daß das zu schaffen ist. Es wird bereits über eine Neuaufnahme der Verhandlungen im Herbst spekuliert.

Doch selbst wenn sich die beteiligten Parteien und Regierungen zu einem neuen britisch-irischen Abkommen durchringen sollten, würde das den nordirischen Konflikt keineswegs beilegen. „Egal was bei den Gesprächen herauskommt, die Paramilitärs werden weiterbomben“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der katholischen Sozialdemokraten, Seamus Mallon, am Samstag resigniert, nachdem die IRA Freitag nacht bei einem Mörserangriff auf eine Kaserne in der Grafschaft Armagh drei Soldaten getötet und 13 Menschen verletzt hatte. Die Soldaten gehörten dem Ulster Defence Regiment (UDR) an, der fast ausschließlich aus Protestanten bestehenden nordirischen Einheit der britischen Armee.

Die Rache der protestantischen paramilitärischen Organisationen Ulster Defence Association (UDA) und Ulster Volunteer Force (UVF) wird nicht lange auf sich warten lassen. Zwar hatten beide Gruppen für die Zeit der Verhandlungen einen Waffenstillstand verkündet, doch der war nur von kurzer Dauer. In den letzten zehn Tagen tötete die IRA vier Soldaten, einen Polizisten und einen Geschäftsmann, der die britische Armee beliefert hatte, die UDA erschoß im Gegenzug den Sinn-Fein- Landrat Eddir Fullerton in der Republik Irland.

Trotz der erneuten Eskalation der Gewalt fordert der Konfliktforscher John Darby von der University of Ulster, daß UDA und Sinn Fein, der politische Flügel der IRA, in die Gespräche miteinbezogen werden müssen. „Die Lösungsversuche der moderaten Kräfte sind gescheitert“, sagte Darby. „Das zeigt das anglo- irische Abkommen von 1985, das ohne nordirische Beteiligung zustande kam. Es ist riskant, UDA und Sinn Fein weiterhin von politischen Entwicklungen auszuschließen.“

(Siehe Kommentar Seite 10)