Keine Mehrheit für Walfangquoten in Island

Tagung der internationalen Walfangkommission brachte keine Aufhebung des Moratoriums/ Island will aus IWC ausscheren  ■ Aus Reykjavik Till Behrend

„Die isländische Delegation wird ihrer Regierung empfehlen, die Internationale Walfangkommission zu verlassen.“ Als der isländische Delegationsleiter Eiriksson am späten Nachmittag des vergangenen Freitags mit dieser Mitteilung vor die im Presseraum des Hotel Saga versammelten Journalisten trat, hatte die diesjährige Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) doch noch das befürchtete Ende genommen, war es zu keinem Ausgleich zwischen den wenigen verbliebenen Walfangländern und der Majorität der Länder, die eine Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs zumindest zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht halten, gekommen.

Wie bereits im Vorjahr, sollte auch in Reykjavik das „ob“ und „wann“ einer Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs, für den seit 1986 unter dem Walfangmoratorium „Nullquoten“ gelten, verhandelt werden. Doch wie schon 1990 in Noordwijk scheiterten auch in diesem Jahr alle Anrtäge, die direkt oder indirekt auf eine Wiederaufnahme des Walfangs zielten. Die von beiden Lagern erwartete Signalwirkung blieb damit nicht aus.

Ginge es nach Gunnlaugur Konradsson und Konrad Eggertsson, wäre der Walfang nie eingestellt worden. Der Fang von Zwergwalen war für die beiden Fischer von der Nordküste Islands neben dem Fischfang die wichtigste Einkommensquelle. Für Islands 50 bis 60 Zwergwalfänger und ihre Familien sieht die Zukunft nicht rosig aus. Seit 1986 fehlen ihnen nun bereits die Einkünfte aus dem Walfang, und ein neues Quotensystem im Fischfang läßt ihre Einkommen noch weiter schrumpfen. Viele dieser kleinen Familienbetriebe stehen heute vor dem Aus.

Die quantitative Einschätzung der nordatlantischen Zwergwalbestände war eine der Prioritäten des Wissenschaftsausschusses der IWC in diesem Jahr. Zugleich sollten neue Richtlinien für das Management von Walbeständen erarbeitet werden, die eine Überfischung zukünftig ausschließen sollen. Tatsächlich sah sich der Wissenschaftsausschuß in diesem Jahr erstmals in der Lage, der Vollversammlung eine deutliche Empfehlung für eines der entwickelten Modelle auszusprechen, und Nobert Kleeschulte, der deutsche Delegationsleiter, zeigte sich Anfang vergangener Woche noch zuversichtlich, daß eine Konsensentscheidung in der IWC möglich sei. Eine Anwendung dieses Modells auf die Zwergwalbestände der Südhalbkugel und des Nordatlantiks, über die umfangreiches Datenmaterial erarbeitet wurde und die offenbar in einem gesunden Zustand sind, wäre damit schon 1992 möglich gewesen. Doch trotz der eindeutigen Empfehlungen des Wissenschaftsausschusses scheiterte die Verhandlung im allein Beschlüsse fassenden Plenum. Nachdem zunächst der Antrag der Japaner auf eine Notquote für ihren vom Moratorium besonders hart betroffenen Küstenwalfang scheiterte, wurde ein isländischer Antrag auf ein Übergangsfanglimit von 70 Zwergwalen für den zentralen nordatlantischen Zwergwalbestand wie bereits im Vorjahr nach quälenden Verfahrensstreitigkeiten nicht zur Abstimmung zugelassen — woraufhin ein Teil der isländischen Delegation unter Protest das Plenum verließ. Schwerwiegender allerdings als diese nicht unerwarteten Entscheidungen war das Ausbleiben der erhofften Konsensentschließung zur Annahme der neuen Managementrichtlinien. Die Mehrheit der Vollversammlung sah sich nicht in der Lage, einer von Japan, Norwegen und Island eingebrachten Resolution zuzustimmen, die die Annahme des vom Wissenschaftsausschuß nahegelegten Modells und seine Anwendung auf die antarktischen und nordatlantischen Zwergwalbestände für 1991 empfahl, sondern folgte einem erst in der Nacht zu Freitag erarbeiteten Vorschlag des Blocks der Walfanggegner, der nach Auffassung der Walfangländer einer weiteren, unnötigen Verzögerung der Wiederaufnahme des Fangs gleichkommt.

Das Ausbleiben einer Konsensentscheidung in dieser zentralen Frage hat das Potential, die IWC in eine tiefe Krise zu stürzen. Island wird den Austritt aus der Kommission erwägen, und auch der norwegische Delegationsleiter Arvesen hat angedeutet, daß seine Regierung ihre Beziehungen zur IWC überdenken und neu bewerten werde. Die Entscheidung der isländischen Regierung wird mit Spannung zu erwarten sein. Ein Austritt ist frühestens zum 31.Juni 1992 möglich und Island wird bis dahin weiter aktiv in allen Gremien der IWC mitarbeiten und, so Eiriksson, auch nicht auf Walfang gehen.

Ein generelles Walfangmoratorium scheint heute, wo zumindest einige Walbestände in einem guten Zustand sind, wissenschaftlich nicht mehr zu rechtfertigen zu sein. Sollte die IWC sich in Zukunft nicht ihrer satzungsgemäßen Aufgaben entsinnen, die in der Bewahrung der Bestände und ihrer nationalen Nutzung bestehen, dürfte es sehr schwer werden, die Länder, die ein Interesse am Walfang verfolgen, weiterhin in die Kommission zu integrieren. Eine internationale Walfangkommission, in der die Walfangländer nicht mehr vertreten sind, kann allerdings kaum im Interesse des Walschutzes liegen.