Die „Ladenhüter“ des Herrn Möllemann

■ Der FDP-Führer der Zukunft formuliert Koalitionsbedingungen an die SPD: Tempofreiheit, Tabakwerbung und eine „Absage an rot-grüne Abenteuer“/ Die CSU päppelt die Sudetendeutschen

Bonn/München (dpa/ap/taz) — Am Tag der Hamburger Bürgerschaftswahlen griff Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) auf seine Art ein: Er nannte Bedingungen für eine Koalition der Freien Demokraten mit der SPD nach der Bundestagswahl 1994. „Falls ich dann FDP-Chef sein sollte“, so meinte der agile Minister, sei eine Koalition mit der SPD dann denkbar, wenn sie auf „sozialistische Ladenhüter wie Wirtschaftsplanung, aber auch generelles Tempolimit und Verbot der Zigarettenwerbung“ verzichte. Ferner müsse die SPD auch Militäreinsätze der Bundeswehr im Rahmen der UNO zur Friedenssicherung unterstützen und für „mehr Tarif- und Preisdisziplin eintreten“. Auch müsse die SPD ihre Forderung nach einer Pflichtversicherung für den Pflegefall aufgeben.

Der neue SPD-Vorsitzende Björn Engholm soll, so erwartet Möllemann, beweisen, „daß er nicht nur lächeln, sondern auch führen kann“. Die „Nagelprobe“ für Engholms Absichten sei die Frage, ob es bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1992 zu einem Koalitionsangebot der SPD an die FDP komme.

Gleichzeitig hielt sich der Noch- FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff für die Sozialdemokraten Zuckerbrot und Peitsche bereit. Er warnte die CDU/CSU davor, militärische Einsätze der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebiets wegen des Widerstands der SPD auch ohne Änderung des Grundgesetzes zuzulassen. In einem Interview sagte er, in der Union würden Töne laut, daß solche Einsätze auch ohne Verfassungsänderung möglich seien. „Das ist völlig unakzeptabel“, sagte der FDP-Chef.

Lambsdorff trat dafür ein, die Auseinandersetzung mit der SPD in dieser Frage politisch zu führen. Die SPD habe mit ihrem Parteitagsbeschluß, Bundeswehreinsätze außerhalb der Nato auf reine Blauhelm- Missionen der UNO zu beschränken, Fragen beantwortet, die international gar nicht mehr gestellt würden.

Herumgedrückt habe sie sich um die eigentliche Frage, ob Deutschland bereit sei, im Rahmen friedenssichernder Missionen unter dem Oberbefehl der UNO und auf Beschluß des Weltsicherheitsrates auch militärisch mitzuwirken. Wer diese Frage nicht beantworten wolle, der sei nicht regierungsfähig. CDU-Generalsekretär Volker Rühe meinte gestern, die Bonner Koalition aus CDU, CSU und FDP sei durch die Äußerungen Möllemanns nicht gefährdet.

Auf einem außenpolitischen Kongreß der CSU verlangte Parteichef Theo Waigel nach größerer internationaler Verantwortung. Um „Erpressungen in Europa“ zuverlässig zu verhindern, sei nicht zuletzt die Präsenz amerikanischer Truppen in Westeuropa weiterhin nötig.

Ihre Mitsprache will die CSU bei den Verhandlungen über den deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag geltend machen. Den Sudetendeutschen müsse eine Beteiligung am Aufbauprozeß der CSFR ermöglicht werden. Der stellvertretende Ministerpräsident der CSFR, Josif Miklosko, sagte auf dem Kongreß, sein Land habe nicht viel Zeit für Experimente. Die Bürger seien wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation ungeduldig. So wie 1990 das Jahr der Freiheit gewesen sei, müsse 1991 daher das „Jahr der Solidarität“ sein. Der Osten brauche westliches Know- how, aber der Westen könne aus dem Osten auch geistige Anregung erhalten, „weg vom reinen Materialismus“.