Ein undisziplinierter Herr vom FBI

„Einer gegen alle — Mancuso, FBI“, 21teilige Krimiserie startet um 20.00 Uhr auf SAT1  ■ Von Martin Compart

Erinnern Sie Sich noch an Efrem Zimbalist jr. als FBI-Agent Lew Erskine in der Serie FBI? Wenn dieser smarte Traumschwiegersohn aus Suburbia in den sechziger Jahren auf dem Bildschirm erschien, um verwirrte Haschraucher oder zutiefst gemeine Kommunisten hochzunehmen, dann ging dem berühmt-berüchtigten FBI-Don J. Edgar Hoover das Herz auf. Solch ein autoritätshöriger Roboter war Edgars Idealvorstellung von einem G-man.

Daneben kassierte der FBI-Chef auch noch tüchtig ab: Er hatte, in Absprache mit Präsdient Johnson, vom Sender ABC verlangt, daß dieser Hoovers eigenes Buch, Masters of Deceit, als Grundlage für die neun Jahre lang laufende Serie kaufte — für schlappe 75.000 Dollar. Außerdem setzte er der Produktionsgesellschaft „FBI-Berater“ ins Team, die jede Folge solange überprüften und änderten, bis sie Edgars Bild vom FBI entsprachen. Und das sah so aus, daß weiße, männliche, dem Mittelstand entstammende Agenten von nie versagender Höflichkeit eine Öffentlichkeit beschützten, die darauf mit Dankbarkeit und Respekt reagierte.

Ach, wie würde sich der alte Edgar grämen, müßte er zusehen, wie man in den Medien inzwischen mit seinem Apparat umspringt: Aber ein glückliches Schicksal beförderte ihn 1972 in den FBI-Himmel, wo höfliche, gutgekleidete G-men das Büro von Petrus verwanzen. So blieben ihm Untersuchungsausschüsse und Schmähdarstellungen erspart.

Die konsequenteste Demontage des Mythos FBI betrieb wohl die Serie Miami Vice. Dort tauchten immer wieder Halunken aus Washington auf, die Crockett und Tubbs das Leben zur Hölle machten, Verbrechen vertuschten und durch Absprachen mit Drogenhändlern die Contras finanzierten. Schlimm wäre für den alten Edgar sicherlich auch Wiseguy — Kampf gegen die Mafia anzusehen, versucht doch sein FBI mit Agent Vinnie Terranova ausgerechnet die Leute aufs Kreuz zu legen, die dank dem freien Spiel der Kräfte auf echt amerikanische Weise ihre Dollars machen, statt Kommunisten und Nigger zu tyrannisieren.

Und jetzt auch noch Nick Mancuso, ein undisziplinierter älterer Herr, der sich selbst die Karriere versaut hat, weil er nicht höflich und respektvoll ist! Dieser alte Haudegen ist von Inspektor Erskine fast so weit entfernt, wie Fritz Wepper von Don Johnson. Aber was J. Edgar vielleicht am wenigsten gefallen hätte, ist, daß Mancuso ausgerechnet in Washington, mitten in dem Machtzentrum, das Edgar jahrzehntelang manipuliert und terrorisiert hat, im Schmutz wühlt. Dabei wird er so oft fündig, daß man Washington als verkommen und korrupt erfährt. Entstanden ist die Figur des von Robert Loggia kraftvoll und intensiv dargestellten FBI-Mannes in Steven Sohmers Roman Der Kandidat (Knaur). Aus dem Roman wurde 1988 eine erfolgreiche und gelungene Mini-Serie, die bei uns als Dreiteiler unter dem Titel Günstling der Hölle gezeigt wurde.

Also holte sich der Sender NBC Sohmer als Executive Producer, um aus der überzeugenden Nebenrolle der Mini-Serie eine Hauptfigur zu machen. Loggia selbst sagt, er wolle in seine Darstellung viel von seinem eigenen Idealismus hineinlegen: „Mancuso hat viel mit den Schmelztiegel-Idealen der dreißiger und vierziger Jahre zu tun. Unser Land bemüht sich, zu dieser Haltung zurückzufinden, die rückblickend im Grunde sehr positiv war.“ Steven Sohmer sieht das etwas pessimistischer: „Jede Folge wird mit einem gewöhnlichen Verbrechen beginnen, dessen Spuren Mancuso stets zu einem Konflikt mit einem der Machthaber führt.“ Auf die Unterstützung des FBI mußte er schon bei der Mini- Serie verzichten, in der er den Bürochef des Washingtoner FBI als korrupt zeigte.

Nach Miami Vice, Crime Story und Wiseguy sind im amerikanischen Fernsehen die Zeiten vorbei, wo man hübsche Mittelstandsjungs mit antiquiertem Politikverständnis und gezogener Waffe durch eine schwarzweiß gezeichnete Welt jagt. Die ideologische Demontage von God's own country, die auf dem Höhepunkt der Reagan-Ära in den Krimi-Serien begonnen hat, pflanzt sich wie ein Virus fort. Formal ist „Mancuso“ nicht so brillant wie Michael Manns Miami Vice und inhaltlich nicht so radikal wie Wiseguy. Aber es bleibt eine intelligente, zeitgemäße Krimi- Serie für Leute, die Derrick für eine viel zu lang geratene Komödie halten.