Keine Hadschis aus Jordanien und Palästina

Jordanier und Palästinenser boykottieren aus Protest gegen die Präsenz ungläubiger Soldaten auf heiligem Boden die Pilgerfahrt nach Mekka und Medina/ Jordanische Muslimbrüder sprechen von einer „Message an die saudischen Brüder“  ■ Aus Amman Khalil Abied

Die Mehrheit der Jordanier und Palästinenser boykottiert dieses Jahr die Hadsch, die muslimische Pilgerfahrt nach Mekka und Medina. Der Boykott geht von keiner politischen oder religiösen Organisation aus, sondern ist eine spontane Aktion der Bevölkerung. Nach Angaben des saudischen Botschafters in Amman haben dieses Jahr nur 5.105 Personen aus Jordanien, Israel und den besetzten Gebieten ein Hadsch-Visum beantragt. Bisher fuhren jedes Jahr zwischen 13.000 und 15.000 Pilger aus Jordanien zu den heiligen Stätten und weitere 3.000 bis 4.000 kamen aus Israel und den besetzten Gebieten.

Die Hadsch bildet eine der fünf Säulen des Islam. Jeder Muslim muß sich einmal in seinem Leben auf die Pilgerfahrt begeben. Der Pilger wird von seinen Sünden befreit und kehrt als gereinigter Mensch mit dem Titel „Hadschi“ zurück. Ein „Hadschi“ genießt in Gesellschaft und Familie besonderes Ansehen.

Die jordanische Zeitung 'Al- Ahali‘ veröffentlichte eine Umfrage, nach der 75 Prozent der Jordanier erklärten, sie würden den Boykott der Hadsch begrüßen. Als Grund gaben sie die Präsenz alliierter Truppen in Saudi-Arabien an. „Ich kann den Gedanken, dieses Jahr auf die Hadsch zu fahren, nicht ertragen“, sagt der Taxifahrer Mohammed Hassan. „Die Saudis haben Ungläubige zu unseren heiligen Stätten gelassen, die den Irak zerstört haben. Sie haben Palästinenser und Jordanier eingesperrt und die wirtschaftliche Hilfe für Palästina und Jordanien gestoppt. Die Saudis sind keine Araber.“

Für Verärgerung sorgte der saudische Beschluß, daß Palästinenser aus Israel und den besetzten Gebieten dieses Jahr über Ägypten nach Saudi- Arabien zu reisen hätten. In den Jahren zuvor waren Palästinenser geschlossen mit dem Status der Delegation eines Staates über Jordanien nach Mekka gefahren. Palästinenservertreter warfen den Saudis vor, durch diese Regelung die offene Grenze zwischen Israel und Ägypten und damit den Friedensvertrag von Camp David anzuerkennen. Nach Intervention der PLO und Jordaniens nahm die saudische Führung am Samstag den Beschluß wieder zurück.

Die Nachrichten über Festnahmen und Mißhandlungen von Palästinensern und Jordaniern in Kuwait und anderen Golfstaaten haben in Jordanien die feindliche Stimmung gegenüber den Scheichs auf der arabischen Halbinsel noch verstärkt. In einem Reisebüro, das Fahrten zu den heiligen Stätten organisiert, fragte ein alter Mann den Angestellten , ob die Saudis Jordaniern auch kein Leid antun würden. Der Angestellte erwiderte, die Saudis würden sicherlich nichts gegen jordanische Pilger unternehmen, solange diese keine anti-saudischen Aktivitäten entfalteten. Als der alte Mann daraufhin beteuerte: „Nein, nein! Ich liebe Saudi-Arabien und hasse den Irak!“ erwiderte der Angestellte trocken: „Such dir ein anderes Reisebüro, wir sind ausgebucht.“

Das jordanische Ministerium für religiöse Angelegenheiten versuchte durch eine Kampagne, die Bevölkerung zur Hadsch zu motivieren. Alle islamischen Gelehrten wurden aufgefordert, das Volk von der Notwendigkeit der Hadsch zu überzeugen. Die Imame in den Moscheen sollten während der Freitagspredigt zur Hadsch aufrufen und in den staatlichen Amtsstuben wurden die Beamten aufgefordert, sich auf die Wallfahrt zu begeben. Aber die Bemühungen blieben ohne nennenswerten Erfolg. Die Muslimbrüder, die die stärkste Fraktion im jordanischen Parlament stellen, unternahmen keine Anstrengungen, die Jordanier zur Hadsch aufzurufen, und daß, obwohl die sunnitischen Fundamentalisten in den letzten Jahren finanziell von Saudi-Arabien unterstützt wurden. Hamsa Mansour, ein Parlamentarier der Muslimbrüder, erklärte gegenüber der taz: „Die Jordanier sind sehr religiös und haben eine tiefe Sehnsucht nach der Hadsch. Der Boykott ist ein Protest gegen die saudische Politik und ich hoffe, daß unsere Brüder in Saudi-Arabien diese Message verstehen. Wir als Muslimbrüder respektieren den Willen unseres Volkes und werden nichts unternehmen um diesen Willen zu beeinflussen.“