ZUMEINLASSINDIEHERZENBEREIT  ■  YO LA TENGO

Wie schafft man es, ausgerechnet als Rockmusiker in ausgerechnet einem verschlafenen Winzprovinzkaff irgendwo in Kentucky, dort, wo jeder jeden kennt und alles Fremde störend aufstößt, sich so richtig beliebt zu machen? Vielleicht, indem man eine verrottete Scheune ausbaut, das Dach flickt, einen neuen Fußboden auslegt und zunächst einen netten Eindruck macht. Oder indem man zwar etwas verlottert aussieht, aber ordentlich verheiratet ist und jemanden dabei hat, der sich Produzent nennt (was auch immer das sei), und der auch schon mal mit diesem netten, gepflegten jungen Mann, der auch für den Regenwald singt, zusammengearbeitet hat (was dann wohl etwas Vernünftiges sein muß).

Keinesfalls aber, möchte man meinen, indem man tonnenweise lautstärkenproduzierendes technisches Gerät in eben jene Scheune schleppt und halb Kentucky eine Begegnung der unheimlichen Art verschafft mit etwas, das jedenfalls für Musik zu halten so abartig erscheint wie das Verschlafen des ersten Hahnenschreis. Irgendwie haben Eleventh Dream Day trotz monatelangem unermüdlichem Gewahwahe, Postgepunke, Gebluese und Gerühre in den tiefsten Abgründen des ellenlangen Gitarrensolos Einlaß in die Herzen gefunden, sind sie zu Helden eines ganzen Winzprovinkaffs aufgestiegen.

Nachdem die New York Times die letzte Platte »Beet« bereits zu einer der besten zehn Schallplatten des Jahres '89 gekürt hatte, muß sich der verantwortliche Redakteur für die aktuelle LP »Lived To Tell« wohl eine neue Rubrik, vielleicht »allerbeste 10 Platten des Jahres« ausdenken. Wobei er dann in Schwierigkeiten geraten könnte bei der Klassifizierung der EP »That is Yo La Tengo« (notfalls »allerallerbeste 10 Platten des Jahres«?), die einfach nur umwerfend ist. Wußten sie uns letztes Jahr mit den Folkballaden auf »Fakebook« und ihrem ergreifenden Konzert voller Kinderliedertraurigkeiten und Rockmusikmärchen noch die Tränen in die Augen zu treiben, so hauen sie uns auf »That Is Yo La Tengo« turmhohe Gitarrenwände um die Ohren und damit schlicht aus den Socken. Das sind fünf dichte, dabei sehr genau akzentuierte, wunderbar arrangierte, richtig schöne krachige, tiefe, verzerrte, klare, melodiös-verspielte Oberüberklassestücke, die einen für leider viel zu kurze Zeit in die Boxen reinkriechen wollen lassen.

Hoffen wir also gemeinsam mit ihrem Label City Slang, daß Yo La Tengo uns noch lange und oft mit solchen Meisterwerken beschenken werden. Ersteinmal aber pilgern wir heute abend in Scharen zum Frauen-am-Schlagzeug-Spektakel ins Loft. Erika

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