Fotografie am Bauhaus

■ Galerie Rudolph Kicken, Köln, in der Galerie „Goethe trifft Nina“ des Autonomen Cultur Centrums Weimar

Weimar. Bereits seit drei Jahren ist eines der ältesten Weimarer Häuser auf besondere Weise in den Dienst der Kulturpflege gestellt. In den Räumen, wo Goethe 1776 seine erste Wohnung in Weimar hatte, finden seit 1988 Ausstellungen statt, die sowohl die Dokumentation der reichen Geschichte der Stadt als auch experimentelle Herausforderungen zum Inhalt haben. Im Rahmen des Weimarer Kunstfestes wurde nun möglich, was im vergangenen Jahr so ohne weiteres an Weimar und auch an Dessau vorbeigegangen war. Die große Retrospektive des Bauhaus- Archives Berlin, die im Frühjahr noch in Paris zu sehen war, konnte in Weimar nicht gezeigt werden.

Die Kölner Galerie Rudolph Kicken, wesentlicher Leihgeber für die umfangreiche Berliner Dokumentation, stellte nun eine Auswahl von 51 Originalen zusammen, die noch bis zum 22. Juni in der ACC-Galerie „Goethe trifft Nina“ am Burgplatz 1 in Weimar zu sehen ist.

Erst 1929 entstand am Dessauer Bauhaus eine Fotoklasse unter Walter Peterhans, vorrangig konzipiert für Werbung und Design. Die Fotografie war am Bauhaus überhaupt eher ein Mittel für Experiment und Dokumentation, als vordergründig für ein künstlerisches Endprodukt zu werben. In der Geschichte des Bauhauses hat dieses Medium allerdings eine Entwicklung erfahren, die immerhin dazu führte, daß nach der Schließung 1933 nicht wenige Bauhäusler professionelle Fotografen wurden. Lucia Moholy (1894-1894), eine der herausragenden Frauen am Bauhaus (dort von 1923-1928 tätig) und zeitweilig Ehefrau von László Moholy-Nagy, war die einzige ausgebildete Fotografin am Weimarer Bauhaus. Sie hatte eine Lehre am in der Stadt ansässigen Atelier Eckner abgeschlossen und schuf mit ihren Arbeiten den Grundstock für die ersten Veröffentlichungen an der Schule. Mit ihren Porträts, Objektfotos und Gebäudeserien setzte sie Meilensteine in der Nutzung der Kamera für künstlerische Zwecke, später gab sie mit Peterhans Kurse in Leipzig und Dessau. Ihr gesamtes Negativarchiv ging im Krieg nach der Emigration nach London verloren.

Einige der erhaltenen Originalabzüge sind in Weimar zu sehen. Ähnlich wie Lucia Moholy arbeitete Heinz Loew (1903-1981) nach der Emigration in London als Fotograf und Designer. Von seiner Hand sind in der plastischen Werkstatt unter Joost Schmidt zahlreiche Aufnahmen von experimentellen Körpern entstanden, die vor einem schwarzen Hintergrund in ihrer Anordnung eine fast magische Plastizität erreichen.

T. Lux Feininger (geb. 1910), am Bauhaus aufgewachsener Meistersohn und Liebhaber ungewöhnlicher Perspektiven, machte eine große Anzahl dokumentarischer Gruppenaufnahmen, aber auch Bühnenfotos und Aufnahmen der Bauhauskapelle, deren begeistertes Mitglied am Banjo er war. Die technische Experimentierfreudigkeit mit den oft sehr einfachen Kameras verblüfft immer wieder bei der Betrachtung dieser Bilder. Überraschende Effekte wurden durch Doppelbelichtung und raffinierte Beleuchtung erreicht, wohlgemerkt selten unter künstlerischer Zielsetzung!

Lotte Stam-Beese (1903-1988), nach ihrer Zeit am Bauhaus als Architektin in Moskau und Rotterdam tätig, hinterließ mit solchen Experimenten bezaubernd-feinsinnige Bilder. Bildkomposition und Formensprache, wesentliche Inhalte der Ausbildung am Bauhaus, sind bei vielen dieser Aufnahmen zum unmittelbaren Ausdrucksmittel geworden. Konstruktivistische Elemente, eine schrittweise Befreiung vom Objekt sind festzustellen. Die unmittelbare Wiedererkennbarkeit des fotografierten Gegenstandes ist nicht mehr notwendig.

Spätestens hier wird die Technik der Fotografie zum künstlerischen Mittel, das die Konvention des Abbildes durchbricht. Stilleben, Lichtstudien und Porträts von Grit Kallin- Fischer (1897-1973) und Hannes Meyer (1889-1954) sind aus diesem Sprachschatz komponiert. Hier wird das Medium Fotografie schon völlig eigenständig verwendet.

Trotzdem war es wohl eher der künstlerische Spieltrieb der Bauhäusler, der den Großteil dieser Aufnahmen entstehen ließ. So schreibt Werner Feist, nach dem Krieg Lehrer für Design in Kanada und am Bauhaus 1927-1930, Schüler bei Joost Schmidt und Walter Peterhans: „Worauf ich aus war (in der Fotografie) war das Experiment mit dieser relativ neuen und sich ständig verfeinernden Technik. Das Experiment, das Ertasten der Grenzen, das Aufbrechen der Gesetze und Regeln, um neue Bereiche zu entdecken — das war der alles beherrschende Geist am Bauhaus. Im heutigen Sprachgebrauch hieße das wohl: Wir waren Nonkonformisten.“ (Aus Werner Feists Anmerkungen zur Fotoklasse Peterhans, unveröffentlichtes Manuskript.) Dieser gepflegte Spieltrieb war es, der das Durchbrechen von Grenzen und Konventionen möglich machte, der zur Quelle für die internationale Impulswirkung des Bauhauses wurde. Dieser Impuls wurde damals in Weimar nicht angenommen, was 1925 im Rausschmiß des Bauhauses seinen Ausdruck fand. Weimar ist seit jeher eine Hochburg starker Auseinandersetzungen um den Konformismus, worunter alle großen Geister der Stadt zu leiden hatten, was aber auch ihren kreativen Widerspruch herausforderte.

Dokumente dieser Auseinandersetzungen sind auch diese Fotos. Sie gestatten Einblicke in Augenblicke. Sie sind Dokumente, die zur Aufarbeitung der am Orte lange totgeschwiegenen Geschichte des Bauhauses und seiner Persönlichkeiten beitragen können. Norbert Meyn

Öffnungszeiten der Galerie „Goethe trifft Nina“ in Weimars ACC bis 22. Juni, täglich 10 bis 18 Uhr.