Dem Bürger ist es ohnehin egal

Gespräche über NOR bzw. NDR-Beitritt gehen weiter/ Brandenburg will Alleingang  ■ Von Karl-Heinz Stamm

Während im Süden der ehemaligen DDR der „Mitteldeutsche Rundfunk“ (MDR), der in seiner alten Form vor 66 Jahren in Leipzig gegründet worden war, wiederbelebt, respektive neugegründet wurde (wir berichteten), tritt die Neuordnung des Rundfunks im Norden noch immer auf der Stelle. Zwar waren die Weichen für einen Nordostdeutschen Rundfunk (NOR) gestellt, über seine Option für ein Zusammengehen mit Brandenburg und Berlin war der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Gomolka aber in eine Regierungskrise geraten. Das Parlament empfahl nicht nur, ein unabhängiges Gutachten einzuholen, sondern auch die Verhandlungen zu einem NOR und mit dem NDR wieder aufzunehmen.

Mittlerweile liegt das Gutachten vor, das der ehemalige Kultusminister von NRW, Mikat (CDU), erstellt hat. Es kommt zu dem Ergebnis, daß ein Beitritt Mecklenburgs zum NOR erhebliche Vorteile habe. So sei nicht nur die Repräsentanz des Landes in allen Gremien der neuen Anstalt in erheblichem Maße gesichert, auch ein Zusammengehen mit Berlin und Brandenburg sei finanziell von Vorteil. Das Land Berlin habe eine „bindende Erklärung“ abgegeben, wonach der SFB mit „ausgeglichener Bilanz“ in die neue Anstalt eintreten werde.

Aber auch die, seitens der NDR- Befürworter ins Feld geführte Argumentation, man fühle sich im Nordosten landsmannschaftlich mit den anderen Nordländern verbunden, hat jetzt einen Knacks bekommen. Eine repräsentative Trendumfrage ermittelte, daß es der Hälfte aller Bürger Mecklenburg-Vorpommerns egal ist, ob das Land sich den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen anschließt oder mit Berlin und Brandenburg zusammengeht. Nur ein Sechstel plädiert in der Infas-Studie für einen Beitritt zum NDR-Staatsvertrag.

Während die Verhandlungen zum NOR mittlerweile nahezu vor dem Abschluß stehen ( klärungsbedürftig ist noch die Frage ob Potsdam-Babelsberg zum Produktionsstandort des NOR-Fernsehens wird und ob die Landesrundfunkdirektoren mit Einvernehemen oder mit Benehmen des Intendanten gewählt werden sollen) haben die Gespräche mit dem NDR erst begonnen. Ungeachtet der Tatsache, daß die brandenburgische Landesregierung einen „ultimativen Termin“ bekanntgegeben hat, der besagt, daß der Staatsvertrag zur Gründung eines NOR bis spätestens 12.Juni im Parlament einzubringen sei, lassen sich die Schweriner Zeit. Für Freitag ist eine weitere Verhandlungsrunde mit dem NDR geplant.

Die Alternative für die Brandenburgische SPD ist, eigene Wege zu gehen. Da auf der Tagesordnung zur nächsten Parlamentssitzung derTagesordnungspunkt „NOR-Vertrag“ aber fehlt, scheint alles auf einen medienpolitischen Alleingang Brandenburgs hinauszulaufen. Schon einmal hatte die Regierungskoalition einen Landesrundfunkgesetzesentwurf in letzter Minute wieder zurückgezogen. SPD-Fraktionssprecher Birthler will denn auch diesen Entwurf wieder in den Landtag einbringen. Er sieht die Bildung einer eigenständigen Landesrundfunkanstalt für Brandenburg vor. Formal wäre damit der Aufbau einer Landesrundfunkanstalt auf den Weg gebracht.

Aber selbst wenn es dazu kommen sollte, ist der Zug für einen NOR noch nicht abgefahren, denn gelingt es Dieter Stammler, dem brandenburgischen Verhandlungsführer für den NOR, eine akzeptable Lösung vorzulegen, dann könnten die Gesetzesinitiatoren ihren Entwurf, wie gehabt, wieder zurückziehen. Immerhin haben die Chefs der drei Senatskanzleien noch etwas Zeit, denn zwischen der ersten und der zweiten Lesung liegen drei Monate.

Indessen haben die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus völlig unterschiedliche Vorstellungen über die zukünftige Rundfunkordnung, sollte das Projekt NOR scheitern. Während die CDU für eine Einländeranstalt plädiert, will die SPD am NOR festhalten. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat sich hingegen für eine Zweiländeranstalt zwischen Berlin und Brandenburg ausgesprochen.

Um die Verwirrung zu komplettieren hat Joachim Steinmann (CDU), Medienbeauftragter von Mecklenburg-Vorpommern, eine weitere Variante ins Spiel gebracht: Während Mecklenburg-Vorpommern im Fernsehbereich mit Berlin und Brandenburg zusammenarbeitet, geht es beim Hörfunk mit dem NDR eine Verbindung ein. Es wird nicht die letzte Variante gewesen sein.