Das Wunder der Sauberen-Strand-Vermehrung

Wie die Küstenanrainer ihre Bade-Paradiese „reinigen“/ Statistiken, die jeder Beschreibung spotten  ■ Aus Rom Werner Raith

„Wir müssen uns“, warnt das nicht zur Veröffentlichung bestimmte „Beiblatt“ des „United Nations Environment Programme“ (UNEP), „jeden triumphalistischen Unterton verkneifen“, denn „die Gefahr, daß die Verantwortlichen der einzelnen Länder in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen, ist groß, wenn der Lagebericht Besserung ausweist.“

Die Warnung macht Sinn: Seit der Annual report in den letzten Jahren den Mittelmeerstränden allseits „zunehmende Annehmbarkeit“ bescheinigt, überschlägt sich nicht nur die Fremdenverkehrsindustrie, sondern auch die zuständige Presse vor Lob über dieses „Wunder an Wende“ (so die spanische Tageszeitung 'El País‘); Schlagzeilen wie einst „Totes Meer“ wandeln sich mirakulös in „Marevivo“ (das italienische Magazin 'L'Espresso‘).

Tatsächlich steht freilich zu befürchten, daß das Wunder der Umweltverbesserung weniger objektiver Verringerung von Schadstoffen oder Bakterienkonzentrationen zu danken ist, als vielmehr der erhöhten Schlitzohrigkeit der nationalen Meß- Beauftragten — jedenfalls sobald sie ihre Werte an internationale Stellen abgeben sollen. Die Sprecher des Umweltschutzschiffes „Goletta verde“, das seit fünf Jahren rund um den Stiefel und mittlerweile auch an den benachbarten ausländischen Stränden das Wasser untersucht, hat da eine präzise Vermutung: „Möglicherweise haben die einzelnen staatlichen Behörden einfach gelernt, wo sie ihre ,Zufallsproben‘ entnehmen müssen, wenn sie gute Meßwerte bekommen wollen.“

Tatsächlich hat die „Goletta“ mittlerweile bewiesen, daß mitunter die Verschiebung nur um ein paar Meter bereits völlig unterschiedliche Ergebnisse zeitigt. Die Nähe zum Beispiel zu einem ins Meer mündenden Fluß besagt überhaupt nichts: Fließt dieser mit starkem Schwung ein, so macht sich sein Dreck nur selten direkt nebenan bemerkbar, sondern mehrere Hundert Meter entfernt. „Es gibt überall irgendwelche ,Sauberzonen‘, und wenn man die kennt...“ gibt ein ENEP-Beamter zu. So könnte es zu verstehen sein, daß die fürs Baden „akzeptablen“ Strände von 76,4Prozent im Jahr 1983 auf 93,3Prozent 1988 gestiegen ist. Wobei freilich auch das verbogen ist: Die Zahlen beziehen sich auf Küstenkilometer, die angeblich durch die Proben „repräsentiert“ werden. Tatsächlich haben die UNEP-Forscher im gesamten Mittelmeer — mit seinen fast 20.000 Kilometern Badestränden — nur gut 600 Beobachtungsstationen zur Verfügung. Zählt man nicht die „repräsentierten“ Kilometer, sondern die Veränderung an diesen 606 Musterstellen, ist die Zahl „annemhbarer“ Strände nur auf knappe 80Prozent gestiegen. Und auch das ist eher zweifelhaft: Vergleicht man die internationalen Daten mit denen, die in den jeweiligen Ländern intern umlaufen, gibt es merkwürdige Differenzen. Während zum Beispiel in Italien für UNEP an die 90Prozent aller Strände hinnehmbar sind, weist der Bericht des Gesundheitsministeriums gut 20Prozent wegen Verunreinigung gesperrter Strände aus.

Daß es bei der Übermittlung der Ergebnisse nicht immer korrekt zugeht, stellen auch die UNEP-Leute fest — „In gut einem Drittel der Fälle ist nicht angegeben, wieviele Probem und in welchem zeitlichen und räumlichen Abstand sie entnommen wurden.“ Und: „Fast die Hälfte aller Mittelmeerstaaten hat uns überhaupt keine, unbrauchbare oder unglaubwürdige Ergebnisse übermittelt.“