EUROFACETTEN
: Hat Grüne Politik noch eine Zukunft?

■ Wie das verlorene Terrain zurückzugewinnen ist

Die Frage des Umweltschutzes als solche ist wesentlich älter als die „Bewegung“: Das Problem ökologischer und sozialer Grenzen des Wachstums wurde international bereits zu Beginn der 70er Jahre diskutiert (der Club of Rome entstand 1969, der Report Die Grenzen des Wachstums 1972); die politische Bewegung selbst bildete sich erst Ende der 70er Jahre.

Sozial wie kulturell kamen die Ökologen aus unterschiedlichen Lagern, das entsprach lokalen und regionalen Eigenarten; gemeinsam war, daß sich die „grüne Frage“ immer mehr als Beziehung zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Repräsentativorganen stellte. „Die Umwelt bewahren, die Politik ändern“ war der Slogan: Lokal handeln, global denken.

Was hat sich inzwischen verändert? Zuallererst: die Ansiedelung der Grünen. Umweltschutzfragen sind mittlerweile in alle Parteien eingedrungen; das hat den Grünen ihre anfängliche Exklusivität genommen. Nun geht es um Beziehungen zwischen Ökologie und Ökonomie, Paradigma „erträglicher Fortschritt“: Thema der UNO-Weltkonferenz „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro 1992.

Die Grünen stehen vor einem Scheideweg: Sie können ihre Basis weiter verbreitern und dennoch eine oppositionelle Kraft bleiben, als Minderheit. Oder aber sie können (die Deutschen versuchen das) darangehen, die Fähigkeit zu einer neuen „Regierungskultur“ zu entwickeln, Vorkämpfer einer ökologisch-institutionalen Wende.

Im ersten Falle würden die Grünen zu einer Art Wiederauflage der „neuen Linken“ aus den 70er Jahren (freilich mit mehr Wählern). Im zweiten Fall müßten sie vor allem vermeiden, sich selbst in eine Art ökologisches Reservat zu sperren, und statt dessen eine doppelte Herausforderung annehmen: das blockierte politische System überwinden und eben jene neue „Regierungskultur“ hin zur ökologisch-institutionellen Wende leiten.

Man kann sich für das eine oder das andere entscheiden. Wichtig ist zu wissen, welche Probleme daraus jeweils für uns entstehen. Marco Boato

Der Autor ist Senator der Grünen im italienischen Parlament.