PORTRAIT
: „Ich hatte niemals einen eigenen Plan“

■ Jiang Qing, die Witwe Mao Zedongs, nahm sich 77jährig das Leben/ 1981 zum Tode verurteilt und später zu lebenslanger Haft begnadigt

Berlin (taz) — „Alles, was er (der Staatsanwalt) gesagt hat, ist, wie die Anklage, reine Erfindung, eine Entstellung der Geschichte. Er hat aus weiß schwarz gemacht, er mißachtet die Fakten und stellt die Wahrheit verschwommen dar, indem er Ja mit Nein mischt.“ Unbeugsam verteidigte sich Maos Witwe Jiang Qing in dem politischen Prozeß, in dem 1981 das Urteil über die „Viererbande“ gefällt werden sollte. Nach dem Tode ihres Mannes im September 1976 hatte sie einen Monat lang die absolute Macht in China verkörpert, bis sie im Oktober durch einen KP-internen Putsch gestürzt und verhaftet wurde. Nun saß sie, die mit Wang Hongwen, Yao Wenyuan und Zhang Chunqiao als „Viererbande“ der Verbrechen der Kulturrevolution angeklagt war, auf der Anklagebank. Doch weit davon entfernt, die in chinesischen Gerichtsverfahren von allen Angeklagten erwartete Demut und Reue zu zeigen, griff die Mao-Witwe vielmehr ihre Ankläger und Richter selbst an und bezeichnete sie als „Konterrevolutionäre“. Sie selbst habe immer nur getan, was Mao befohlen habe: „Seit 1966 haben ich und andere... ständig in Übereinstimmung mit Mao gearbeitet, genauer: in Übereinstimmung mit den Beschlüssen und Anweisungen des Zentralkomitees unter der Leitung des Vorsitzenden Mao, das heißt also, bis zu der Zeit, als der Vorsitzende Mao starb. Ich hatte niemals einen eigenen Plan, ich habe nur die Durchführung der proletarischen revolutionären Grundsätze Maos verteidigt.“

Vier Jahre hatten die Vorbereitungen zu diesem Prozeß gedauert, und in dieser Zeit hatte die chinesische KP nichts unversucht gelassen, die Verbrechen der Kulturrevolution als individuelle Verbrechen einer Handvoll grausamer und ambitionierter Persönlichkeiten darzustellen. Ihrer Manipulationskraft und absoluter Skrupellosigkeit sei es zuzuschreiben, daß die chinesische Bevölkerung in unermeßliches Leid gestürzt worden sei, die Wirtschaft stagniert habe und Kultur und Wissenschaft um zwanzig Jahre zurückgeworfen worden seien. Vor allem aber — sie habe es geschafft, daß die Partei selbst zum Opfer ihrer Herrschaft geworden war.

Und darauf kam es an: die Wut und die Verzweiflung der Bevölkerung auf diese Persönlichkeiten zu lenken und jede Infragestellung der Partei zu vermeiden. Dies ließ sich hervorragend mit der Darstellung Jiang Qings als machtgieriger Ehefrau in der Tradition der grausamen Herrscherinnen der chinesischen Geschichte. Jiang hatte als junge Schauspielerin den ahnungslosen Mao durch ihre Schönheit verführt und ihn 1938 gegen den Willen der Partei geheiratet, so die offizielle Darstellung. Tatsächlich hatten die Genossen der Heirat nur unter der Bedingung zugestimmt, daß sie keine politische Funktion erhalten dürfe. Als aber Anfang der sechziger Jahre die Position Maos innerhalb der Partei gefährdet war, bediente sich Mao der Kulturpolitik zur Rückeroberung seiner absoluten Führungsposition. Jiang Qing sollte in dieser Zeit eine Schlüsselrolle spielen, die „Kultur“ der Kulturrevolution, die revolutionären Pekingopern sind mit ihrem Namen verbunden. 1969 stieg sie ins Politbüro auf. 1981 wurde sie zum Tode verurteilt, zwei Jahre später begnadigt und unter Arrest gestellt. Am 14. Mai beging sie Selbstmord, sie hatte Kehlkopfkrebs. li