USA: Politischer Streit um Bürgerrechtsgesetz

Mit seinem angedrohten Veto gegen das neue Bürgerrechtsgesetz appelliert Präsident Bush an den latenten Rassismus seiner weißen Wähler/ Die Demokraten sind mit ihrem Gesetzentwurf zur positiven Diskriminierung in die Defensive geraten  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Ganz gleich mit welcher Mehrheit die Mitglieder des US-amerikanischen Repräsentantenhauses am Mittwoch das neue Bürgerrechtsgesetz verabschieden werden. Das Veto des Präsidenten ist ihnen und den Kollegen im Senat sicher. George Bush will um jeden Preis ein Gesetz vermeiden, daß den Unternehmern nach seiner Interpretation bei der Rekrutierung von Arbeitskräften bestimmte Quoten an ethnischen Minoritäten vorschreibt. So sehr die Demokraten auch betonen, daß ihr Gesetzesentwurf eine solche Quotierung am Arbeitsplatz ausdrücklich verbiete, so stur droht George Bush weiterhin mit seinem Veto gegen das angebliche „Quotengesetz“.

Der Streit um das an sich wenig spektakuläre Bürgerrechtsgesetz hat in den letzten Tagen alle anderen politischen Themen in den Hintergrund treten lassen. Auf dem Capitol Hill und in den Medien tobt der Kampf um die rechte Bürgerrechtsgesinnung. Bush wirft den Demokraten vor, den im letzten Jahr an seinem Veto gescheiterten Gesetzentwurf mit ein paar kosmetischen Veränderungen wieder neu einzubringen. Die Demokraten beschuldigen den Präsidenten, mit seinem Veto nur die heimliche Angst der weißen Wähler vor der angeblichen Bevorteilung ihrer schwarzen Konkurrenten um einen Arbeitsplatz für den kommenden Wahlkampf neu zu schüren. Bush, so ein Führer der Bürgerrechtsbewegung, ziele mit seinem Widerstand gegen das Gesetz zynisch auf die irrationalen Ängste und den latenten Rassismus in der Bevölkerung.

Bei dem „Civil Rights Bill“ geht es um den Versuch der Demokraten, eine Serie von Urteilen des Obersten Gerichtshofes wieder rückgängig zu machen, die ethnischen Minderheiten die Klage wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz erschwert hatten. Das Gesetz sieht außerdem Kompensationszahlungen für am Arbeitsplatz benachteiligte Minderheiten, Frauen und Behinderte vor. Der einzige Unterschied zur Situation vor den Urteilen des erzkonservativen „Supreme Court“ vor zwei Jahren läge in der neuen Möglichkeit von Kompensationszahlungen auch für Frauen.

Genau dieser Punkt führte jedoch im demokratischen Lager zu heftigen internen Auseinandersetzungen. In ihrem Versuch, zur Überstimmung des drohenden Präsidenten- Vetos eine möglichst breite Mehrheit zu gewinnen, hatte die demokratische Führung bei den Kompensationszahlungen für Frauen einer vom Unternehmerverband geforderten Höchstgrenze zugestimmt. Dies wiederum brachte vor allem liberale Volksvertreterinnen gegen ihre Parteiführung auf, weil sie zur Rettung des Gesetzentwurfes hier zu „Diskriminierungsopfern zweiter Klasse“ degradiert wurden.

Das Gesetz steht in der Tradition der sogenannten „affirmative action“, mit der seit den Erfolgen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahren die historische Benachteiligung der Schwarzen durch Programme positiver Diskriminierung ausgeglichen werden sollte. Obwohl sich damit für viele Schwarze neue professionelle Erfolgsmöglichkeiten öffneten, blieben diese „affirmative action“-Programme bis heute umstritten. Zum einen, weil ihre Institutionalisierung in jedem Falle zu Ungerechtigkeiten führen mußte; zum anderen, weil sie längst nicht zur Überwindung der tiefverwurzelten Benachteiligung von Schwarzen ausreichten. Erst vor wenigen Woche bewies eine Studie des „Urban Institutes“, daß weiße Arbeitgeber bei gleicher Qualifikation immer noch weiße Arbeitskräfte ihren schwarzen Konkurrenten vorziehen.

George Bushs Verhalten steht dagegen in der Tradition der polarisierten Wahlkämpfe von 1978 und 1982, in den die Präsidentschaftskandidaten Goldwater und Nixon den latenten Rassismus ihrer weißen Wähler auszubeuten versuchten. Am Samstag hatte sich George Bush in einer Rede an der Kadettenschule von West Point zwar für die „Zerstörung des Mißtrauens zwischen den Rassen“ ausgesprochen, „das unser nationales Wohlbefinden ebenso bedroht wie Gewalt, Drogen oder die Armut“; um dann aber gleich im nächsten Satz für sein Veto gegen das „Civil Rights Bill“ zu werben. Des Präsidenten Attacke auf Gesetz, so der Bürgerrechtler und schwarze Kongreßabgeordnete John Lewis, „war die polarisierendste und demagogischste Rede, die ein US-Präsident in modernen Zeiten zu den Bürgerrechten gehalten hat“.