Schwelbrand hinter der Kirchenfassade

■ Eröffnung des 24. Deutschen Evangelischen Kirchentags im Ruhrgebiet/ Dezentralisierung und Unübersichtlichkeit strapazieren TeilnehmerInnen/ Konflikt um Bleiberecht für Roma ausgespart

Dortmund (taz) — „Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir...“ So begannen gestern abend die 67 Eröffnungsgottesdienste des 24. Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT) — und diesen Geist werden TeilnehmerInnen und Beteiligte auch nötig haben. Zum ersten Mal findet die größte Basisveranstaltung der Protestanten in einer ganzen Region statt, im Ruhrgebiet. Und Kirchentagspräsident Eppler mußte zugeben, daß die Veranstaltung „mit der Einheit des Ortes noch einmal an Übersichtlichkeit verliert“. Davor hätten „manche kapituliert“.

Mit 102.000 Dauergästen ist der diesjährige der kleinste Kirchentag seit Beginn der 80er Jahre. Nur 10.000 Gäste kommen aus den Ostländern. Die unsichere soziale Situation der Menschen in den Neuen Ländern mache es ihnen schwer, sich auf das Kirchenereignis einzulassen, meinte Eppler gestern. Geldmangel dürfte trotzdem nicht der Hauptgrund sein, denn die Bundesregierung hat jedem Ostteilnehmer einen Zuschuß von 75 Mark bewilligt. Auffällig ist auch, daß extrem wenig Junge aus der Ex-DDR zu diesem Kirchentag kommen wollen, der traditionell gerade von jungen Protestanten getragen wird.

Vielleicht habe auch die „Faszination des Westens“ nachgelassen, erwähnte Eppler. Daß dieses nicht nur mit der Bonner Politik, sondern auch mit Kirchenpolitik zusammenhängen könnte — mit der bevorstehenden Vereinigung der EKD (West) und des BEK (Ost) —, erwähnte er allerdings nicht. Statt dessen betonte er die Ost-West-Harmonie im Vorfeld der Veranstaltung. Dabei gibt es nach wie vor Streitpunkte zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Bund der Evangelischen Kirchen: den Paragraphen 218 zum Beispiel und die Militärseelsorge, die die Ostkirche am liebsten abgeschafft sehen möchte. Im deutsch-deutschen Begegnungszentrum des Kirchentags, süffisant „Halle der Umarmung“ genannt, sollen diese Themen verhandelt werden.

Frühere Kirchentage hatten „geheime Themen“. Anfang der 80er Jahre in Hamburg und Hannover bestimmte die Friedensbewegung den Ton. In Frankfurt 1987 entzündete sich die Auseinandersetzung an den Kirchenkonten bei Banken, die Geschäfte mit dem Rassistenregime in Südafrika machten. Im Vorfeld dieses Kirchentags hat sich ein solcher Schwerpunkt nicht herauskristallisiert — und ist auch von den Veranstaltern nicht gesetzt worden.

Im Unterschied zu früheren Tagen habe es im Vorfeld des Revier- Kirchentages auch „keinen großen Konflikt“ gegeben, konstatierte Eppler gestern. Ein erster Konflikt steht dem Kirchentag gleichwohl am Donnerstag abend ins Haus: die Podiumsveranstaltung „Im Dialog mit Sinti und Roma“. Obwohl der Kirchentag im Ruhrgebiet stattfindet, wo Roma mit ihrem „Bettelmarsch“ für ein Bleiberecht erstmals breite politische und vor allem kirchliche Unterstützung erkämpften, werden weder VertreterInnen dieser Roma noch solche der evangelischen Kirche im Rheinland, die sie maßgeblich unterstützte, auf dem Podium sitzen. Vielmehr setzte sich der Zentralrat deutscher Sinti und Roma, der einem Bleiberecht für staatenlose Roma, wie es vor allem die Rom und Cinti Union (RCU) fordert, kritisch gegenübersteht, mit seinen Vorstellungen durch.

Auf Anfrage teilte die Kirchentagsleitung ihren rheinländischen Brüdern und Schwestern mit, sie sei von Romani Roses Zentralrat „mit gewichtigen Gründen darum gebeten worden, das gemeinsam geplante und vorbereitete Programm nicht einseitig zu verändern“. Verständlich, werden doch auf dem Podium alleinig Thesen des Zentralrats verhandelt. Ob der Versuch gelingt, die brisante Debatte auszuklammern, ist jedoch fraglich. bim/bam