: Jean Park
■ Was hat Russ Meyer mit Düsseldorf zu tun?
Ab und an treffen so viele Kriterien auf einen einzigen Recken im Rock'n‘Roll zu, daß Fortuna ihr Füllhorn nicht länger verweigern mag. Zumal in Düsseldorf. Dem Dorf am Rhein sind so ziemlich alle Heroen für den bundesrepublikanischen Pophimmel der vergangenen Jahrzehnte entstiegen. Nun geht es mit Jean Park ins nächste.
Dabei hatte alles ganz still und leise begonnen. Vor dreieinhalb jahren war plötzlich ein hübscher unbekannter Gitarrenspieler mit seinem Vinylerstling dagewesen, der sich als Ohrwurm erster Güte herausstellte. Jean Parks »Mirror World« enthielt alle möglichen Spiegelbilder des Poplife von den Erdbeerfeldern Lennons aus den Sixties über Bolans »Groover«-Glam bis hin zu wildwuchernden Rosen aus dem Paisley Park von Prince. Das alles war sauberer, minutiöser, detailgetreuer und liebevoller in kleinen Popetüden abgepaust worden, als es Lenny Kravitz noch ein Jahr später zum Erfolg führte (bei Robyn Hitchcock hat das nicht so ganz geklappt). Jean Park ging stattdessen erstmal leer aus, allerdings mit einem allgegenwärtigen schulterklopfenden »Löblich, löblich« aus den Mündern der Kritik in den Ohren. Dann hat sich Sony/CBS an den kleinen Eklektiker herangemacht, der mit Musikstilen wie mit Bauklötzen, Schippe und Matchbox-Autos in der sandkiste spielt. Jean Park baut in jedem seiner Songs ein Stücken Popwelt nach.
Auf seiner neuen LP »Love Snake« hat ihm die Industrie die Flausen aus dem Kopf getrieben und den Zitatewust ein wenig geordnet. Das besorgt vor allem ein gehörig nach dem Tanzboden schielender Beat, der sich größtenteils zu Rave und Funk bekennt. Der Rest führt wieder in die bunten Phantasien des Herrn Park. Schön findet er dabei das Spiel der Liebe, das sich besonders in der Badewanne unter dem seifenschaumgesäumten Wasserspiegel abspielt. »Your Body In Soap«, was ein wenig Seife und ein paar flinke Hände so alles anstellen können... Manchmal reicht ihm aber auch die Brieffreundschaft, der edle Austausch von Gedanken, die platonische Spielerei mit dem Füllfederverhalten des/der anderen. Freunde, die er nie gesehen hat, werden in »Pen Pal« besungen, zu einer Melodie, die einem die Schmusewärme ins Herz treibt.
So kann es einem bei fast allen Park- Songs ergehen. Gospelwärme, Hippieflair und alles will mitgesummt werden. Wer indes sein Video zur Singleauskopplung »Soultwister« auf einem der privaten Musikkanäle angeboten bekommt, sollte gleich zugreifen. Keine Geringerer als Russ Meyer hat denselbigen mit dem ihm eigenen Charme gedreht. Da verdichten sich dann opulente Ausgelassenheit, bizarre Einsichten und allerschrägster Lifestyle aus drei Jahrzehnten: Alice alias Jean Park nicht im Wunderland, dafür im tiefen Tal der Superhexen. Schade, daß es sowas auf der Bühne nicht geben kann. Stattdessen läßt sich zumindest auf eine Engtanzfete im Ecstasy hoffen, nur Persiko wird wieder einmal fehlen. Harald Fricke
Um 21 Uhr im Ecstasy
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