Die Beschreibung der Farbe im Bild

■ Detlev Friedrich in der Galerie Sassen

Farbe oder nicht Farbe: Vor diese Wahl läßt sich ein Maler selten stellen. Er wählt zwischen dem Prinzip Farbe und dem Prinzip Farblichkeit. Das erste ist der Unterschied zwischen einem weißen und einem bemalten Blatt. Das zweite ist genaugenommen kein Prinzip, sondern eine Entscheidung. Oder anders: Das zweite bedeutet, der Notwendigkeit einen Sinn zu geben. Farbe kann — nach dem ersten Prinzip — den Raum bilden. Farblichkeit gestaltet ihn. Der Maler geht einer Entscheidung zwischen diesen beiden Dingen nicht etwa aus dem Wege. Und der Kritiker nimmt diese erst wahr, wenn er auf einen Künstler trifft, der die Prinzipien der Raumbildung und Raumgestaltung nebeneinanderstellt. Und zwar bewußt. Soweit das Abstrakte.

In Schwarzweiß über Farbe zu reden, bleibt rechnerisch. Nur mit Lyrik würde man dem entgehen. Bildbeschreibung also. Doch das tut es nicht: Detlev Friedrich, der derzeit in der Schöneberger Sassen-Galerie ausstellt, beschreibt seine Bilder selber. Er nennt sie Blaue Figur. Oder Das rote Bild. Ist sein Impetus weniger eindeutig, so läßt er dennoch in Titeln wie 7 Figuren aus dem Languedoc keinen Zweifel an der farblichen Stimmung dieser aus China-Tusche und Bleistift bestehenden Blätter. Ein zarter Hauch gefärbten Wassers überzieht das Papier und tränkt es so mit dem Licht des südlichen Frankreich, welches oft als diffus und flirrend beschrieben wurde.

Warum bei Friedrich Farbe sowohl Raum bildet, als auch ihn gestaltet, erklärt seine großformatige Leinwand Blaue Figur: Nicht die Figur, sondern der sie umgebende Malgrund (Raum) ist blau. Mag die Figur auch durchsetzt — oder durchtränkt — von Blau (dem Blau) sein, so dominiert doch eigentlich der Raum. Durch eben jenes Blau. Kühl. Beruhigend und erregend. Stellt man gedanklich Bilder wie Das rote Bild oder Märzbild I und II nebeneinander, dazu noch Figur mit Bällen, erwächst dem Betrachter eine Ahnung über die sinnliche Sicherheit, mit der Friedrich aus Farbe Raum bildet — um ihn dann Figur zu nennen. Gerade die Großformate sind beeindruckend in der Kombination rhetorischer Gegensätzlichkeiten. Daß sie niemals zu Taschenspielertricks verkommen, ist der Inspiriertheit der Farben zu verdanken, die sich weder verleugnen, noch sich selber erklären. Es klingt lapidar: Aber wo ist Gelb gelb, Blau blau oder Rot rot? Sie sind gemeinhin immer irgendetwas. Entweder eine Idee oder so. Oder noch weniger. Manchmal sind sie nur noch Titel.

Friedrich zeigt Farben, die selbstbewußt sind. Das heißt, sie schämen sich ihrer Leuchtkraft nicht, wie sie sich auch niemals anöden. In seinen sieben Gouachen zur Ausstellungseröffnung zeigt Friedrich, daß Farbe bei ihm auch Struktur sein kann, Netzgeflecht in Farbe getaucht. Trennt er in seinen Leinwänden die Farben aus ihrem Spektrum heraus, um sie einzeln ein Bild bauen zu lassen — und macht damit aus der Notwendigkeit einen Sinn —, so verschmilzt er sie in diese Gouachen zu freiem Spiel unter sich. Außerdem und nicht zuletzt entfalten sich die Gouachen nur im Ensemble, für das sie auch geschaffen wurden.

Doch wenn woanders aus dem freien Spiel Wildheit entstehen kann, so nicht bei Friedrich. Statt Ekstase herrscht hier Beschränkung. Eine Beschränkung allerdings, die nicht minimiert, sondern beruhigt. Natürlich nur die Blätter innerhalb des Ensembles; dem Betrachter bleibt seine jeweilige Emotion unbenommen. Soweit die Beschreibung.

Detlev Friedrich — Jahrgang 1954 und Baselitz-Schüler in Karlsruhe — überzeugt mit dieser Ausstellung nicht nur von sich, sondern auch den Besucher von der Galerie. Detlev Friedrichs Exposition ist die erste in der neueröffneten Sassen-Galerie in der Motzstraße, Nähe Nollendorfplatz. Mühevoll ausgebaute Kellerräume, die dennoch keinen Zweifel an der Professionalität ihrer Idee lassen, scheinen wie gemacht für Friedrichs Farben. Volker Handloik

bis 8.8.; Motzstr. 9, Di-Fr 10-12,, 15-18.30, Sa 11-14 Uhr