Gewalt am rechten Rand in Dresden

Zwei Tote — was nun?/ „Umfassendes Gesamtkonzept“/ Ressortchef Krause und der für Extreme zuständige Amtschef Kohlert machen verschiedene Angaben zum „Gewaltpotential“  ■ Aus Dresden Peter Rösler

Noch bevor es detailliert vorliegt, kommen Zweifel auf — am neuen „umfassenden Gesamtkonzept“ des Innenministeriums gegen Gewalt und Extremismus im Freistaat Sachsen. Seltsam, wenn Ressortchef Krause (CDU) und der für Extreme zuständige Amtschef Kohlert bereits bei der Frage nach dem rechtsextremen Gewaltpotential in Sachsen unterschiedliche Angaben machen. Der eine schätzt „einige Hundert“, der andere verfügt wegen fehlendem Verfassungsschutz über „keine Angaben“ — will oder kann sie nicht preisgeben und orientiert sich an „Wahlergebnissen“. Der eine sagt, die Rechten nutzen die Umstrukturierung in der Polizei für ihre kriminellen Taten aus, und man könne nach dem Aufbau eines Landeskriminalamtes richtig wirksam werden. Der andere: Die Polizei hat eigentlich alle rechtlichen Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten. Übereinstimmung dahingehend, daß die Auseinandersetzung mit der extremen Szene nicht ausschließlich Sache der Polizei sein kann.

Ob nun Sicherheitskonferenzen, deren Zielgruppen weitgehend nebulös bleiben, und politische Bildung auf den Weg weg von Neonazismus, Ausländerhaß und Gewalt gegen Andersdenkende bringen, bleibt zu wünschen. Ressortchef Krause und seine Mitarbeiter müssen sich jedoch schon die Frage gefallen lassen, ob außergewöhnliche Situationen nicht auch außergewöhnliche Entscheidungen notwendig machen. Die Verwaltung der Landeshauptstadt — inoffiziell schon als neue „Hauptstadt der Bewegung“ gehandelt — ließ bisher noch jede Demonstration von Rechten zu, da will auch für angekündigte Treffen in der nächsten Zeit vom Innenministerium keiner dreinreden. Selbst wenn OB Wagner lieber private Sicherheitsleute Ordnung schaffen läßt auf Dresdens Prager Straße und andere Händler-, Schmuggler- und Falschspieler lassen will — sein Problem, nicht das sächsischer Sicherheitspolitik.

Wagners Probleme lösen ja derzeit junge „Rechtsradikale“. Wenn alles stimmt, was über den gekillten Rechtenführer Rainer Sonntag mittlerweile veröffentlicht wurde, wollte der ja wohl mit seinen Gesinnungsfreunden auch gleich im „Rotlichtmilieu“ deutsche Zucht und Ordnung schaffen.

Egal wie man zu den Motiven auch stehen mag: Zwei Tote — ein erschossener Neonazi und ein aus der Straßenbahn zu Tode „geworfener“ Mocambiquaner — sollten ebenso reichen wie nach einem Überfall zwei Dutzend verängstigte Kinder aus Tschernobyl, auf offener Straße verprügelte Vietnamesen und beschimpfte sowjetische Juden. Auch Hunderte oder gar Tausende verunsicherte Deutsche und Ausländer sollten Anlaß genug sein, sicherheitspolitische Akzente zu setzen. Natürlich mit Toleranz und Verständigung, mit Diskussionsangeboten und mehr Lehrstellen als bisher im Freistaat — aber vor allem schnell und greifbar, sollen nicht noch mehr Sachsen, auch aus Angst vor bisher wenig bekannter Gewalt statt nur aus wirtschaftlicher Unsicherheit, den Freistaat verlassen.

„Sicherheit und Ordnung für die Bürger gehören zu unseren vorrangigen politischen Zielen“, ließ der Innenminister wissen. Sie werden sich jedoch nicht herbeireden lassen...