Rat gegen sexuelle Belästigung

■ Universität Bremen richtet am 1.1.1992 die bundesweit erste Anlaufstelle ein

Eineinhalb Jahre ist es her, seit ein Dozent der Behindertenpädagogik an der Bremer Uni über Nacht seinen Schreibtisch räumte. Sexuelle Übergriffe auf Patientinnen in seiner therapeutischen Praxis waren publik geworden. Debatten über sexuelle Gewalt an der Uni und wie ihr wirksam begegnet werden könnte, entzündeten sich. Studentinnen und weibliches Uni-Personal forderten mit unterschiedlichen Konzepten eine Beratungsstelle für betroffene Frauen.

Am Mittwoch beschloß nun der Akademische Senat — als letzten Tagesordnungspunkt, jedoch als erste bundesdeutsche Universität — die Einrichtung einer „Koordinierungs- und Beratungsstelle für sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz“. Eine inhaltliche Diskussion zur Ausgestaltung der neuen Stelle fand nicht statt und das Kompromißkonzept der Zentralen Kommission für Frauenfragen wurde nicht explizit verabschiedet.

Fest steht: Die Beratungsstelle wird am 1.1.1992 eröffnet und zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen werden die Arbeit leisten. Sie sollen an der Universität über das Tabu-Thema aufklären, sowie belästigte Frauen juristisch und psychologisch beraten. Zudem haben sie die Möglichkeit, zwei halbe Forschungsstellen oder eine ganze anzufordern.

Die künftige Uni-Beratungsstelle soll in die Stadt hineinwirken: Auf dem Programm steht das Konzipieren von Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung von psycho-sozialem Fachpersonal. Betroffene Frauen sollen unterstützt werden, eigene Wege für den Umgang mit sexueller Gewalt und Schutzmöglichkeiten selbst zu entwerfen. Außerdem wird sich die Beratungsstelle überlegen, welche Sanktionsformen es für sexuelle Übergriffe gibt. Ein vorrangiges Aufgabengebiet wird jedoch die Öffentlichkeitsarbeit sein, da immer noch viele Frauen ihre negativen Erlebnisse aus Angst für sich behalten.

Aus einer Untersuchung der Dortmunder Uni geht hervor, daß jede dritte Frau bereits Erfahrungen mit sexueller Gewalt am Arbeitsplatz gemacht hat. A.Q.