Broder: Ach, Hans-Christian-betr.: "Gegendarstellung" von Hans-Christian Ströbele, taz vom 5.6.91

betr.: „Gegendarstellung“ von Hans-Christian Ströbele,

taz vom 5.6.91

Ströbeles Gegendarstellung ist ein weiterer Beleg dafür, was mit einem Menschen passieren kann, der sich nicht mehr in unmittelbarem Kontakt mit der ihn umgebenden Wirklichkeit befindet. Hatte er gleich nach dem Bekanntwerden des Interviews noch behauptet „The interview published neither represents my opinion nor what has been actually said during the interview talks“ (Presseerklärung in Israel vom 20.2.91), besann er sich nach seiner vorzeitigen Rückkehr aus Israel in die Bundesrepublik eines besseren (Das Interview war nicht gefälscht“, Christian Ströbele im Gespräch mit 'Prowo‘ vom 5.4.91), wobei er seinen Anhängern versicherte, „der Eindruck, ich sei zu Kreuze gekrochen und hätte meine politischen Auffassungen, die ich in dem Interviewgespräch vertreten hatte, aufgegeben oder korrigiert“, sei nicht richtig, versuchte er sich mal als das Opfer einer Verschwörung darzustellen („...die mögliche Rolle des israelischen Geheimdienstes MOSSAD in meiner Affäre“, Positionspapier zum Parteitag in Neumünster), mal als von meinem unwiderstehlichen Charme Verführter („Broder hat mich mit seiner Freundlichkeit eingewickelt“), so legt er nun das Urteil des Landgerichts vom 28.5. überaus freihändig zu seinen Gunsten aus. Ströbele hatte mich in einer Reihe von Punkten auf Unterlassung verklagt. Materielle Grundlage seiner Klage war die Veröffentichung des Interviews in der 'SZ‘, in der taz und ein Bericht über das Gespräch in der 'Jesualem Post‘. Erst in der Gerichtsverhandlung bequemten sich Ströbeles Anwälte zu der Klarstellung, daß sich die Klageschrift nur auf den Bericht in der 'Jerusalem Post‘ bezieht. In einem Punkt, der sich auf diesen Bericht bezog, bekam Ströbele vom Gericht recht. Wie die Richter entschieden, wird schon aus der Kostenentscheidung deutlich: Ströbele muß drei Viertel der Prozeßkosten tragen, ich ein Viertel, eine Kleinigkeit, die er in seiner Gegendarstellung wohlweislich nicht erwähnt. Und was seine Behauptung angeht, ich hätte „vor Gericht eingeräumt, den Text doch mehr verändert zu haben“, handelt es sich entweder um wishful thinking oder um eine schlichte Erfindung. Ich habe nichts dergleichen eingeräumt, weder vor Gericht noch anderswo. Ich habe lediglich erklärt, bei der Transkription des von Ströbele gesprochenen Wortes Sätze begradigt und Wiederholungen rausgenommen zu haben, wie das üblich ist, wenn man einen gesprochenen Text in die Schriftform überträgt, wofür mir Ströbele eigentlich dankbar sein müßte. Zum Beispiel: Auf die Frage, was er, Ströbele, gedacht habe, al er von Saddam Husseins Ankündigung las, er, Hussein werde Israel so vernichten, daß nicht mal ein Grab übrig bleibt, hatte Ströbele wörtlich geantwortet: „Eine ganz schlimme Großsprecherei, weil ich sicher bin, daß das keinen realen, nicht daran zweifle, daß Saddam Hussein zu vielem, möglicherweise auch dazu fähig wäre, wenn man ihm da völlig freie Hand ließe. Aber ich bin sicher, kann man nicht sagen, ich hoffe, daß das keinerlei Realisierungschancen hat, wegen der gesamten Situation dort, wegen des Kräfteverhältnisses...“

Diesen Originalton Ströbele habe ich folgendermaßen ins Deutsche übersetzt und so erschien er auch in der taz: „Ich habe das für eine ganz schlimme Großsprecherei gehalten. Nicht, daß ich daran zweifle, daß Saddam Hussein zu vielem, möglicherweise auch dazu fähig wäre, wenn man ihm da völlig freie Hand ließe, aber ich hoffe, daß er keine Realisierungschance hat, wegen der gesamten Situation dort, wegen des Kräfteverhältnisses zwischen ihm und Israel.“

Ich habe also Ströbeles Gestotter so wortgetreu wie möglich in eine lesbare Form gebracht, ohne den Inhalt des Gesagten zu verändern. In dem Bericht für die Jerusalem Post habe ich diesen Satz so übersetzt: „I think Saddam Hussein has a big mouth. He is not capable of carrying out this threat.“ Diese Übersetzung, befand das Gericht, gebe den Inhalt des von Ströbele Gesagten nicht angemessen wieder. Hätte ich denselben Satz in der Form der indirekten Rede erwähnt, meinten die Richter, wäre dies nicht zu beanstanden gewesen. Dies war Ströbeles ganzer Prozeßerfolg, den er nun mit der Behauptung nachzubessern versucht, ich hätte vor Gericht eingeräumt, „den Text doch mehr verändert zu haben.“

Übrigens: Im Urteilstenor wird der englische Satz ins Deutsche zurückübersetzt. Er heißt dann: „Ich denken, daß Saddam Hussein hat einen großen Mund. Er ist nicht fähig, diese Drohung auszuführen.“ Das Gericht, das Anstoß an meiner Übersetzung genommen hatte, übersetzte „big mouth“ (Großmaul) mit „großer Mund“. Bei so viel Liebe zum Lübke-Englisch kann ich nur kapitulieren. Ströbele has right and I am on the wood way. Henryk M.Broder, 5.6.91