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Drehbuch einer Krise

■ Algeriens Präsident Chadli versucht, die innenpolitischen Konflikte stillzustellen

Drehbuch einer Krise Algeriens Präsident Chadli versucht, die innenpolitischen Konflikte stillzustellen

Als Dienstag in aller Allahs Frühe Sondereinheiten des algerischen Innenministeriums in einem brutalen Einsatz gegen die Islamisten mindestens sechs Menschen zu Tode brachten, hatte Präsident Chadli Bendjedid erreicht, was er wollte: Nur Stunden später verhängte er den Ausnahmezustand für vier Monate und ließ die ersten freien Parlamentswahlen vom 27.Juni auf unbestimmte Zeit aussetzen.

Die neue algerische Krise folgt einem Drehbuch, das Chadli, die Generäle und der jetzt zurückgetretene Premier Mouloud Hamrouche geschrieben haben. Im Oktober 1988 hatte die zu zwei Dritteln arbeitslose algerische Jugend mit einem blutig niedergeschlagenen Aufstand die Öffnung des Systems erkämpft. Chadli führt die algerische Perestroika („Infitah“) geschickt. Die Gemeinde- und Regionalwahlen vom Juni letzten Jahres brachten einen Erdrutschsieg der Islamischen Heilsfront (FIS) und zeigten an, daß die Algerier mit dem FLN-Regime Schluß machen wollen.

Entsprechend drehte Premier Hamrouche das Wahlgesetz dergestalt, daß es weder für den FIS noch die andern Oppositionsparteien akzeptabel war. Im zweiten Wahlgang wären sich in den meisten Wahlkreisen ein Islamist und ein FLN-Kandidat gegenübergestanden. Die Islamisten, unter demokratischeren Umständen mehrheitsfähig, liefen dabei Gefahr, in einem Angst-Votum unterzugehen. Umgekehrt wäre auch der Ausgang für die FLN ungewiß, weil die wirtschaftliche Liberalisierungspolitik der letzten 24 Monate die Verarmung breiter Schichten beschleunigt hat. Die Strategie indes verfing — der FIS, innerlich über den rechten Weg zerstritten, mobilisierte die Straße und lieferte den Vorwand für den Ausnahmezustand.

Das weitere Chadli-Szenario ist leicht abzusehen. Die Ernennung des prowestlichen Außenministers Sid Ahmed Ghozali zum Krisenpremier ist ein klarer Wink an die Adresse der Amerikaner (und des IWF), die von den lichten Höhen Algiers den Kampf gegen die dräuende Islamische Republik beobachten. Ghozali wird in den nächsten Tagen versuchen, Oppositionspolitiker wie den Sozialdemokraten Hocine Ait Ahmed und gemäßigte Islamisten in ein Koalitions-Kabinett zu holen. Den radikalen Islamisten bleibt dann nur die Wahl zwischen Marginalisierung oder Staatsstreich. Aber da steht die allmächtig herrschende Armee vor. Oliver Fahrni

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