INTERVIEW
: „Kuwait ist ein Dschungel“

■ PLO-Führungsmitglied Yasser Abed Rabo zu israelischen Luftangriffen und neuen Friedensplänen nach dem Golfkrieg Die PLO hat alle Einheiten im Südlibanon angewiesen, die Souveränität des Libanons zu verteidigen

Yasser Abed Rabo ist Mitglied des Exekutivkomitees der PLO und Vorsitzender der Informationsabteilung der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Er gilt als einer der führenden Politiker innerhalb der PLO. Zusammen mit Jassir Arafat traf er in Genf den sowjetischen Außenminister Bessmertnych, und mit Faruk Qaddumi hielt er sich Ende Mai in Damaskus auf.

taz: Wie beurteilen Sie die neuen israelischen Luftangriffe im Südlibanon?

Yasser Abed Rabo: Der Angriff heizt die Situation weiter auf und schafft große Hindernisse für den Friedensprozeß. Wir glauben, daß Israel die Aggression fortsetzen wird und israelische Truppen palästinensische Camps im Südlibanon einnehmen werden. Die israelische Regierung will jede Lösung des libanesischen Problems verhindern, die auf dem Abzug aller ausländischen Truppen aufbaut, entsprechend der Resolution 425 des UN-Sicherheitsrates. Die israelische Regierung will Schwierigkeiten zwischen der libanesischen Regierung und der PLO konstruieren, indem sie als Hauptgrund für ihre Angriffe auf den Südlibanon die Präsenz von palästinensischen Waffen dort angibt. Wir glauben auch, daß diese Aggression eine Botschaft an Syrien und den Libanon sein soll, daß Israel gegen den Kooperationsvertrag der beiden Staaten ist. Israelische Politiker haben erklärt, daß sie dieses Abkommen für eine große Gefahr für Israel halten, da es den syrischen Einfluß im Libanon vergrößert.

Welche Anweisungen hat die PLO den palästinensischen Kräften im Südlibanon gegeben?

Wir haben Anweisung an alle unsere Einheiten im Südlibanon gegeben, alle Möglichkeiten zu nutzen, sowohl die palästinensischen Camps, als auch libanesisches Territorium zu verteidigen und mit der libanesischen Armee und den Militäreinheiten der libanesischen Organisationen zusammenzuarbeiten, um die Souveränität des Libanons zu verteidigen.

Welche Chancen geben Sie jetzt den amerikanischen Anstrengungen für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts?

Was jetzt passiert, ist eine große Herausforderung für die Amerikaner. Die wichtigste Frage ist, ob die Amerikaner auf Israel Druck ausüben werden, die Aggression gegen den Libanon einzustellen. Israel hat eine Lösung, die auf dem Prinzip „Land gegen Frieden“ basiert, abgelehnt, Israel hat eine Lösung, die auf dem internationalen Recht, besonders den UN-Resolutionen 242 und 338 basiert, abgelehnt. Die wichtigste Frage ist jetzt, ob die amerikanische Führung Israel dazu drängen wird, das internationale Recht zu beachten. Die USA haben im Namen des internationalen Rechts einen zerstörerischen Krieg gegen den Irak organisiert. Also warum üben sie keinen Druck auf Israel aus? Die PLO und die arabischen Staaten akzeptieren eine Lösung auf Grundlage der UN-Beschlüsse, Israel widersetzt sich einer solchen Lösung. Ich glaube, die USA werden selber über das Schicksal ihrer Anstrengungen und Pläne entscheiden. Wenn sie eine Politik der doppelten Moral betreiben, werden sie ihre Pläne mit eigenen Händen zerreißen.

Wie ist jetzt nach dem Golfkrieg das Verhältnis der PLO zu den arabischen Staaten aus der Anti- Irak-Allianz?

Die Beziehungen zu Ägypten sind wieder hergestellt und wir haben politische Gespräche mit der Regierung in Kairo begonnen. Die Beziehungen zu den Golfstaaten haben sich nicht verbessert. Die Hauptursache dafür ist, was mit den Palästinensern in Kuwait geschieht. Jeden Tag werden dort Verbrechen gegen Palästinenser verübt. Die kuwaitische Armee und bewaffnete Banden entführen Leute von der Straße und aus ihren Häusern, Frauen und kleine Mädchen werden vergewaltigt. Kuwait ist kein Staat mehr, es ist ein Dschungel. Die Menschenrechte der Palästinenser werden verletzt und das unter den Augen der Amerikaner und anderer Staaten, die eine internationale Kampagne organisierten, unter denselben Slogans, die jetzt verletzt werden: den Slogans der Menschenrechte der Kuwaiter und deren Recht auf Selbstbestimmung. Warum kümmert sich jetzt niemand von denen, die Kuwait befreiten, um die gleichen Prinzipen bei den Palästinensern?

Was sind die wichtigsten Perspektiven der PLO in der nahen Zukunft?

Wir arbeiten, um eine Koordination zwischen allen arabischen Ländern herzustellen, um so eine gemeinsame arabische Position zu erreichen. Dann müssen wir die israelische Siedlungspolitik stoppen. Die Fortsetzung dieser Politik wird jede Chance für eine friedliche Lösung im Nahen Osten zerstören. Wir müssen die Leute auf der Westbank und im Gaza-Streifen unterstüzten, die unter der brutalen Unterdrückung der Israelis und unter der wirtschaftlichen Lage dort leiden. Wir schließen Verträge mit der Europäischen Gemeinschaft ab, um den Export palästinensischer Produkte nach Europa zu steigern und Israel zu zwingen, seine Blockade des palästinensischen Exports einzustellen.

Plant die PLO die Kampfformen der Intifada zu verschärfen, zum Beispiel Waffen einzusetzen?

Die Wahl der Kampfformen überlassen wir den Menschen in den besetzten Gebieten, aber wenn es keinen greifbaren Fortschritt in Richtung Frieden gibt, müssen wir uns darauf einstellen, daß die Menschen zu härteren Methoden greifen werden, einfach weil sie die Situation nicht mehr aushalten können. Wir können nicht mehr warten! Interview: Khalil Abied