Slowenien im Bann des 26. Juni

■ Vor der Unabhängigkeitserklärung der Republik gibt es mehr Fragen als Antworten

Belgrad (taz) — Das slowenische Parlament steht unter Terminnot: Immer deutlicher zeichnet sich ab, daß völlig unklar ist, wie die „Souveränitätserklärung„ am 26. Juni verwirklicht werden soll. Zum einen ist diese dadurch in Frage gestellt, daß trotz intensiver Reisediplomatie bisher kein einziger Staat Europas die Souveränität anerkennen will. Italiens Außenminister De Michelis stellte unverblümt fest, daß die Nachbarn auf einen solchen Schritt fünfzig Jahre warten müßten, und selbst Österreich zeigt sich bei der Unterstützung mehr als zurückhaltend. Einen Alleingang ohne EG will man nicht wagen. Diese aber bleibt dabei: Bis keine friedliche Lösung der Krise des Vielvölkerstaates gefunden worden ist, muß Jugoslawien erhalten bleiben.

Doch auch innenpolitisch ist die Lage verfahren. In der Regierungskoalition DEMOS sorgen die Reorganisation der Staatsverfassung, das neue Staatsbürgergesetz und die Gesetze zur Gründung einer eigenen Emissionsbank für scharfe Polemiken. Beim geplanten Staatsbürgerschaftsgesetz herrscht Uneinigkeit darüber, wer sich denn nun überhaupt Slowene nennen darf. Auch die „Gastarbeiter“ aus den Südrepubliken, die seit Jahrzehnten in Slowenien leben, alle Slowenen, die als nationale Minderheit in Italien oder Österreich wohnen? Ebenso uneinig ist sich das Parlament darüber, wie mit der Belgrader Zentralregierung die Schulden und Guthaben des Landes abgerechnet werden können. Und nicht zuletzt bleibt die Frage, wie der Abzug der jugoslawischen Streitkräfte bewältigt werden wird. Die regierungsnahe Tageszeitung 'Delo‘: „Nichts läuft mehr nach Plan. Die Zeit rennt uns weg, ein politischer Alptraum zeichnet sich ab.“ Roland Hofwiler