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„Ablenkung von legalen Rüstungsexporten“

■ Der SPD-Abgeordnete Albrecht Müller zur Bundesrats-Ablehnung des Regierungsgesetzentwurfs zur Rüstungsexportkontrolle

taz: Herr Müller, einerseits fordert die SPD seit Jahren, die Rüstungsexporte drastisch einzuschränken, andererseits hat nun gestern die SPD-Mehrheit im Bundesrat eine Regierungsinitiative zur Verschärfung der Rüstungsexportkontrolle verworfen. Wie paßt das zusammen?

Albrecht Müller: Die SPD-regierten Bundesländer haben immer wieder deutlich gemacht, daß sie eine Verschärfung der Rüstungsexportkontrolle wollen. Bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung haben wir aber rechtsstaatliche Bedenken. Wir können nicht hinnehmen, daß über die geplanten Verschärfungen, die uns im übrigen nicht weitreichend genug erscheinen, Telefonüberwachungen durch das Zollkriminalinstitut eingeführt werden. Es ist völlig ausreichend, wenn die notwendigen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaften oder die Polizei geführt werden. Wir können den Schutz des Rechtsstaates nicht deswegen aufgeben, weil die Bundesregierung im Bereich der Rüstungsexportkontrolle zuwenig tut.

Der ganze Vorgang läßt sich auch nur begreifen, wenn man bedenkt, daß ein wichtiger Teil der notwendigen Exportkontrollen in den Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministers Möllemann gar nicht enthalten ist, nämlich eine bessere Kontrolle oder die völlige Untersagung von legalen Rüstungsexporten außerhalb des Nato-Bündnisses. Im Fall des Iraks sind die legalen Exporte beispielsweise wesentlich gewichtiger gewesen als die illegalen. Herr Möllemann hat sich von vorneherein auf die illegalen Exporte kapriziert. Auch Bundeskanzler Kohl hat scharfe Töne gegen die illegalen Exporte angeschlagen. Das ist schön und gut, aber die Bundesregierung lenkt damit beispielsweise vom Export von Tausenden von Milan-Raketen und von MBB-Hubschraubern in den Irak ab. Die geplante Einführung der Telefonüberwachung kann man auch als den Versuch verstehen, sich ein besonderes Image als Exportkontrolleur zu verschaffen, ohne dabei den Freunden, die das legale Rüstungsexportgeschäft betreiben, wehzutun. Wir sind bereit, und die Düsseldorfer Landesregierung hat es bereits angekündigt, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen.

Ihr Fraktionskollege Norbert Gansel hat gestern die Rüstungsexporte als „organisierte Verantwortungslosigkeit“ bezeichnet und deren Verbot im Grundgesetz gefordert. Sehen Sie hierfür eine Mehrheit?

Ich gehe einmal davon aus, daß er ein Verbot der Rüstungsexporte außerhalb der Nato gemeint hat. Ich glaube nicht, daß es derzeit dafür eine Mehrheit gibt. Es ist aber trotzdem sinnvoll, diese Forderung zu erheben. Sie macht nämlich deutlich, was die richtige Lösung wäre: eine Ächtung dieser Ausfuhren. Diese Exporte dürfen nicht mehr als Normalität betrachtet werden. Selbst die Volkswirtschaft lebt nur zu einem minimalen Teil davon. Das Problem ist aber, daß sich eine starke Lobby aus der Luftfahrt- und Weltraumindustrie für die legalen Rüstungslieferungen stark macht. Diesen Leuten kommt die Debatte um die Überwachung der illegalen Exporte gerade recht. Damit können sie von dem ablenken, was ganz normal läuft. Interview: Wolfgang Gast

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