Halt aus, Brautpaar!

■ Samstags auf der Breminale: Rasante Musik aus vielen Morgenländern

“Schwerpunkt Orient“ auf der Breminale: Unter der Woche eher vereinzelte Sprengsel im bunten Allerlei, am Samstag dann ein vielstündiges „Festival“. Erst draußen und dann in der Schleuse. Volkstanzgruppen aus Kurdistan und der Türkei machten bei strahlendem Wetter den Anfang, und die marokkanische Band Cshabab El Marib bat zum kleinen Open- Air — allerdings kamen die verstärkten Zouk-Klänge dem gesprochenen Wort (im Taz-Zelt) manchmal heftig ins Gehege.

Abends in der Schleuse ein recht gegensätzlicher Dreiteiler: die palästinensische Großformation Uschak El-Ard, die Bremer Newcomer Iki Dünya und die Gruppe Aschchabad aus dem sowjetischen Turkmenistan.

Die Palästinenser, die allesamt in Berlin leben, verstehen sich als „Kulturgruppe“. Ihr Anliegen ist, Tänze aus den verschiedenen Regionen Palästinas und Lieder der Befreiungsbewegung vorzustellen, sicher ohne Drang nach Perfektion im Kopf. Den Tänzen und den Liedern, vom 15köpfigen Chor meist einstimmig vorgetragen, stellten sie kurze Erläuterungen voran, vom Älteste um kurze, leidenschaftliche Ansprachen auf Arabisch ergänzt — unter lautem Beifall der anwesenden Araber. Bald geriet denn auch die Veranstaltung, anfangs eher DGB-charmant, mächtig unter Dampf.

Wann immer in Bremen die multikulturelle Maus gemolken wird, müssen Iki Dünya on stage. Hier droht Verschleiß, bevor der Laden richtig läuft. Ihr Auftritt am Samstag war eine runde Sache. Die Mischung aus türkischem Folk und internationalem Rock ist inzwischen stimmig und eigenständig, die Musiker sind locker und souverän, Sängerin Sophie Schultze gibt die in jeder Beziehung kompetente Frontfrau: Vielleicht die derzeit wichtigste Bremer Band jenseits des Indie-Bereichs.

Die Gruppe Aschchabad spielte am Samstag zum zweiten Mal im Ausland und erstmals in Westeuropa. Der Grund: Vor der Perestroika war ihre Musik als kultureller Teil des Islam verboten. Aschchabad begann traditionell, mit schönem orientalischen Gesang zu Akkordeon, Darabuka und der eher unislamischen Violine. Nach vier Stücken enterten plötzlich Drummer, Bassist und Gitarrist die Bühne, der Ansager verkündete bescheiden „einige Beispiele turkmenischer Hochzeitsmusik“, und plötzlich jagte die Bande durch eine wilde Mixtur aus Hardrock, Punk und Folklore, daß man sich fragen konnte, wie das Brautpaar das wohl übersteht im fernen Turkmenistan: Aschchabad haben ihre Musik bracchial und kompromißlos elektronisiert, lediglich die Violine hält manches auf dem folkloristischen Teppich — und schlägt nebenbei interessante Brücken nach Westen. Fetenstimmung im Zelt und toller Abschluß des Abends. Rainer Köster