Flanieren geht über Applaudieren

■ „Zu dem Kulturellen kann ich eigentlich gar nichts sagen“ Oder: Umfrage dazu, wie die Breminale befunden ward

Während die Erwachsenen orientierungslos zwischen Bier- und Musikzelten herumirrten...

Fünf Tage Zeltstadt Breminale. Heute wird sie abgebaut. Wie urteilt das geneigte Publikum? Eine sonntägliche Umfrage

taz: Wie fanden Sie's auf der Breminale?

Corinne Monti (24): Ich war wenig in den Zelten. Das Angebot war einfach zu viel, man dachte ständig, man muß von einem Zelt ins andere juckeln, deshalb fand' ich's draußen nett, da brauchte man sich für nichts zu entscheiden. Drinnen war's oft stickig, und immer wenn ich in die Zelte rein kam, war gerade eine Veranstaltung zu Ende. Draußen war eine bessere Atmosphäre, man hat mehr Leute gesehen.

Haben Sie was Beeindruckendes gesehen?

Im Bluesfestival war ich kurz, das war dann auch knapp zu Ende, aber ich konnte noch ein bißchen mitjuckeln. Nett fand ich's auf der Kinderwiese. Die größeren Leute mußten ein Feuerwehrspringtuch mitziehen, die Kinder hochschmeißen. Spannend fand ich auch diesen Fühlweg, wo man mit nackten Füßen auf dem Steinboden gehen mußte. Und ich habe Kinder gesehen, die ganz super jonglieren konnten, die aber ihre Fackeln nicht selbst auspusten konnten und ins Publikum gegangen sind: „Können Sie mal meine Fackel auspusten?“

Wie war die Breminale?

Jürgen Rump (39): Ach, ist hier Breminale? Ich war 14 Tage im Urlaub, dann macht man einen Morgenspaziergang, lüftet Kind und Hund aus, sieht plötzlich Zelte und fragt sich als Butenbremer: Was mag das sein?

hier bitte das Foto

mit den Bierzelten

35jährige Frau, möchte anonym bleiben: Ich war nur einen Abend da, bin mal so auf und ab gewandert.

Sie sind nicht in ein Zelt reingegangen?

Ne. Ich fand das ganz schön, so von außen die Musik zu hören. Aber ich hatte auch den Eindruck, es war nicht soviel los, wie früher.

Haben Sie sich vorher das Programm angeguckt?

Ich hab's zwar zu Hause liegen gehabt, wollt's immer mal genauer durchgucken, aber naja, es ist soviel anderes gleichzeitig gelaufen.

Wie gefällt Dir die Breminale?

Sarah (3): Gut. Ich hab' da einen Baumstamm gesehen, da kann ich balancieren.

Und was gefällt Dir?

Yasmin (8): Alles. Ich hab balanciert, auf dem Gerüst hier gespielt und die Folie bemalt.

Wie erging's Ihnen auf der Breminale?

Thomas Wetzel (39): Wenn man tagsüber mit 'nem Kind hier ist, finde ich es sehr schön. Abends im Zelt war ich nur in diesem Blueskonzert. Ich bin nach 'ner halben Stunde rausgegangen, die Luft war zu schlecht, es war sowieso zu voll. Ich hab' mich gefragt, wie solch eine schlechte Luft bei einem Zelt im Freien möglich ist, ob es da keine Lüftungsklappen gibt. — Zu dem Kulturellen kann ich nichts sagen, da weiß ich nur das, was in der Zeitung steht.

Kulturinteressierte Spaziergängerin, möchte anonym bleiben: Ich muß sagen: An einem Abend war ich unterwegs zur Breminale, doch da habe ich aus der Ferne dieses fürchterlich laute Geschrei und diese laute Musik gehört. Und ich habe mich an letztes Jahr erinnert, wo ich den Eindruck hatte, daß sich die Breminale von dem Remmidemmi und dem Gedrängel auf dem Stadtfest überhaupt nicht mehr unterscheidet, da hab' ich's vorgezogen, in diesem Park oberhalb der Weser spazieren zu gehen. — Wenn ich noch einen Wunsch äußern könnte: Eine Breminale sollte auf die Stadtteile verteilt werden, damit sich das nicht so bierzeltmäßig gestaltet und man die einzelnen Sachen besser wahrnehmen kann.

Marbert Kutzelmann (32): Ich bin eigentlich nur Flaneur, ich mache täglich Spaziergänge an der Weser. Und ich bin damit konfrontiert, mir das anschauen zu müssen. Mein Interesse geht dahin, daß ich ganz gerne einzelne Veranstaltungen mir ansehen würde, aber nicht bereit bin, 49 Mark abzudrücken. Weil ich das Geld nicht hab' und weil ich finde: Wer alles anbietet, bietet nichts an. Für mich ist das eine Art von genormter Kreativität. Wie Rolltreppenfahren im Hertie. Letztes Jahr hab' ich das mitgemacht für 39 Mark: Da stehst Du da 'ne Stunde, dort 'ne halbe Stunde und konsumierst und konsumierst. Diesmal hab' nur ins Taz-Zelt reingeschaut bei einer Diskussion. Habe ich mal 'ne halbe Stunde zugehört, hat mich nicht sonderlich interessiert.

Ist es schöner, hier zu flanieren, wenn Breminale ist oder wenn nichts los ist?

Gut, wer Voyeur ist, treibt sich darum und guckt. Es gibt ja auch schöne Momente wie abends mit den Jongleuren. Aber mir ist es lieber, wenn ich da lang gehen und sagen kann: Mein letzter Wille ist Stille.

Wie hat's Ihnen als Organisator gefallen?

Anselm Zughart, Breminale-Mitorganisator: Ich beschäftige mich damit seit sechs Jahren, bin sozusagen einer der ersten. Was mich an der Breminale fasziniert, ist nach wie vor das einzigartige Klima und die Ambiente der Menschen, daß wir wenig Ärger haben, daß es relativ friedlich abläuft...

Und dieses Jahr?

Dieses Jahr ist, was die Platzgestaltung anbelangt, die Breminale am gelungensten.

Warum?

Ich begreife das als Gesamtkunstwerk. Wir haben alle Zelte ausgetauscht, alles umstrukturiert. Wir hatten ja vorher diese normale Bierzelt-Geschichte.

Vielen ist auf der Breminale das Draußen wichtiger als das, was sich in den Zelten abspielt. Gibt Euch das als Organisatoren zu denken?

Das Ambiente, die Kunstwerke sind ein wesentlicher Bestandteil der Breminale. Sich Treffen, Ort des Austausches... Dazu kommt ja, daß viele Sachen eintrittsfrei sind, die Literaturveranstaltungen, alles für Kinder, das Kino. Außerdem ist das Volumen der Zelte ja auch beschränkt.

Also es gibt nicht zu denken, wenn vielen das Draußen wichtiger ist?

Das Draußen ist wesentlicher Bestandteil. Ursprung und Konzeption ist natürlich drinnen. Und der Besucherzuspruch in den Zelten, der spricht da Bände. Der war ausgesprochen gut. Es gibt für mich kein Festival, das mit einer derartigen Atmosphäre und mit einem derartigen Konzept aufwarten kann. Das hat für mich schon was Einzigartiges. Für mich persönlich die Verwirklichung einer Utopie.

Haben Sie selbst Veranstaltungen besucht?

Ich beschäftige mich mit der Geschichte seit sechseinhalb Jahren. Konkret was konsumiert, eine ganze Veranstaltung angeguckt, habe ich in den sechs Jahren nicht ein einziges Mal. Umfrage: Barbara Debus