Ein taz-Forum über Freunde, Fremde und fremde Freunde

■ Im Haus der Kulturen der Welt wurde am Freitag abend aus Anlaß der zweiten »World-Media« Ausgabe über Rassismus diskutiert

»Fremde Freunde«? Wie bitte? Entweder Freunde oder Fremde. Fremde können zu Freunden werden, sind dann aber nicht ehr fremd; dagegen können Freunde fremd werden — was die Freundschaft manchmal in die Ferne rücken läßt. Freundliche Fremde sind dagegen vorstellbar — aber »fremde Freunde«? Miteinander verknüpft, scheinen sich die beiden Worte gegenseitig auszuschließen — ein schwarzer Schimmel sozusagen. Dieses Bild paßt ganz gut zum Thema »Rassismus«, das sich hinter dem scheinbar widersprüchlichen Titel des taz-Forums am Freitag abend im Haus der Kulturen der Welt verbarg. Anlaß der Veranstaltung: Das Erscheinen der zweiten »World Media«-Ausgabe, diesmal zum Thema »Die neue Völkerwanderung«.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen vor allem Fragen nach dem Ursprung des zunehmenden Rassismus. »Nichts Neues im Osten«, diagnostizierte Anetta Kahane, Leiterin der Reginalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen. Rassismus habe es immer gegeben, jetzt träten gewalttätige Angriffe aber verstärkt auf, »vor allem unter Jugendlichen in der 7. Klasse«, in der Pubertät also. Grund sei der soziale Wandel, der besonders die Jugendlichen ihrer Orientierung und Sicherheit beraube, die sie durch die »drei Standbeine« — Eltern, Schule und soziales Umfeld — erhielten. Ein Phänomen, das »Rassismus« allerdings, vor allem den der Erwachsenen, nicht hinreichend erkläre.

Kahane wollte sich auch nicht mit der »gleichmachenden« Analyse des Migrationsforschers Andreas Germershausen begnügen, der aufgrund seiner empirischen Untersuchungen keinen Unterschied zwischen Ausländerfeindlichkeit in den alten und neuen Bundesländern feststellen wollte. Seine Zahlen, so ihre Kritik, lassen Ursachen und unterschiedlich motivierte Ausländerfeindlichkeit unberücksichtigt. Sie gingen nicht an die Wurzeln der unterschiedlichen Sozialisationen in der DDR und der BRD.

Ein »neuer« Rassismus? Sevim Celebi, Ex- AL-Abgeordnete stellte im Gegensatz zu Kahane aus West-Sicht eine steigende, staatlich gewollte Ausländerfeindlichkeit fest; geboren aus dem »emotionalen Nationalismus« nach der von allen »angehimmelten Wiedervereinigung«.

Die Podiumsteilnehmer bekamen zwar Magenschmerzen bei dem Gedanken, mehr Polizeipräsenz zu fordern, sahen aber im Selbstschutz nicht die nötige Sicherheit. Neben konsequenterer Täter-Verfolgung forderte Kahane weitergehende Maßnahmen, um die Gewalt gegen Ausländer zu bekämpfen. Auf gesellschaftlich-staatlicher Ebene müßte eine »offene, konsequente, ehrliche Strategie« entwickelt werden, wie mit Einwanderern umgegangen werden soll. »Offene Grenzen« — wie sie von Vertretern der Linken oft gefordert werden — hielt sie allerdings nicht für machbar. Überhaupt war sie ratlos, wie eine solche »ehrliche, offene« Strategie auszusehen hätte.

Eine klare Vorstellung hatte sie jedoch, was jeder gegen die Gewalt gegen Ausländer — aber auch gegen Lesben und Schwule — tun kann: seinen Mut zusammennehmen, bei Angriffen nicht wegschauen, auf eine Anzeigenerstattung drängen — einfach Fremden zu Freunden werden.

Daß »Linkssein kein Immunschutz« (taz- Chefin Georgia Tornow) gegen (latenten) Rassismus ist, wurde auch hier diskutiert. Die ganze Diskussion sei ja völlig unergiebig, ereiferte sich ein Zuhörer. Hier werde die Tatsache völlig außer Acht gelassen, daß staatliche Institutionen, vor allem aber die EG, Rassismus faktisch bereits festgeschrieben haben. Die Grenzen würden, wo sie es noch nicht sind, geschlossen. Und in Deutschland könnten 30.000 de-facto-Flüchtlinge mit dem neuen Ausländergesetz am 1. Juli rausgeworfen werden. »Das macht mich betroffen, nicht der alltägliche Rassismus in den Berliner U- und S-Bahnen«. Ein Rassismus immerhin, der Katharina Oguntoya (Initiative Schwarzer Deutscher) solche Angst macht, daß sie Veranstaltungen nicht mehr in Ost-Berlin plant.

Rassismus — ein umfassendes, brennendes Thema, dem niemand in rund zwei Stunden gerecht werden kann. Dennoch: Trotz dieser eingeschränkten Erwartung blieb — als der Uhrzeiger bereits eine halbe Stunde über das angesetzte Ende hinausgerückt war — ein fahler Nachgeschmack. Zuviel wurde nur angerissen, vermutet, oberflächlich behandelt und übersehen. Petra Brändle