Studentenproteste in Südkorea verlieren an Schwung

Seoul (ap/dpa/taz) — In südkoreanischen Städten ist es am Wochenende zwar erneut zu Unruhen gekommen, doch hat die heftige Protestwelle im Lande nach allgemeiner Ansicht an Schwung verloren. Die Anführer der Protestbewegung hatten für Samstag Kundgebungen in 85 Orten mit mehr als einer halben Million Teilnehmern angekündigt, doch belief sich die Zahl der Demonstranten in Seoul und sechs anderen Städten auf lediglich 20.000 bis 30.000.

In der Hauptstadt kam es zu Zusammenstößen zwischen 4.000 Studenten und 15.000 Polizisten. Die Demonstranten warfen wieder Steine und Molotow-Cocktails, die Beamten setzten Tränengas ein. Nach Angaben der Polizei wurden rund 50 Polizisten und Zivilisten verletzt, 111 Personen wurden festgenommen. Die Nachrichtenagentur 'yonhap‘ meldete, in der Stadt Jinju sei eine Brandbombe in eine Fernsehstation geschleudert worden.

Am Samstag kam es erneut zu zwei Selbstverbrennungen. Wie der christliche Rundfunksender CBS berichtete, hat sich ein Arbeiter in der Hafenstadt Inchon aus Protest gegen niedrige Lohnabschlüsse mit Farbverdünner überschüttet und angezündet. Er liegt mit lebensgefährlichen Verletzungen in einem Krankenhaus. Ein zweiter Arbeiter verübte in der südlichen Stadt Yosu wegen der „Unterdrückung der Arbeiterbewegung“ eine Selbstverbrennung, soll sich aber keine lebensgefährlichen Brandverletzungen zugezogen haben.

Auffallend war nach Darstellung von Beobachtern, daß viele Bürger ihr Mißfallen mit den Protestaktionen bekundeten. Ein Mangel an Unterstützung in der Bevölkerung gilt auch als Hauptgrund für das Nachlassen der Protestwelle. Der Unmut macht sich vor allem bemerkbar, seit Studenten vor kurzem den neuen Ministerpräsidenten Chung Won Shik in der Universität von Seoul tätlich angriffen. Ein hoher Polizeibeamter sagte: „Wir sind sicher, daß das Schlimmste vorüber ist.“ Lee Soo Go, ein Studentenführer, meinte: „Wir sind in einer schwierigen Lage, weil die Regierung hart vorgeht. Aber wir werden überleben.“