Kuwait befreit — und ausländerfrei

Die kuwaitischen Scheichs verweigern Tausenden ihrer Beduinen-Soldaten die Heimkehr aus irakischer Kriegsgefangenschaft/ Einst die treuesten Diener der Sabah-Familienherrschaft, werden sie nun als Sicherheitsrisiko angesehen und diffamiert  ■ Aus Amman Khalil Abied

Vier- bis sechstausend kuwaitische Soldaten, die aus irakischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden sind, sitzen zur Zeit in einem Flüchlingslager in der Wüste zwischen Irak und Kuwait fest. Die kuwaitische Führung will sie nicht in das Scheichtum zurücklassen, da sie keine kuwaitische Staatsangehörigkeit haben — sie sind Beduinen, sogenannte „Bidun“. Das arabische Wort „Bidun“ bedeutet „ohne“ und wird in Kuwait für Personen verwendet, die zwar ein kuwaitisches Reisedokument besitzen, aber keine kuwaitische Staatsangehörigkeit. Vor dem 2. August 1990 waren etwa die Hälfte der BewohnerInnen Kuwaits „Bidun“.

Nach der irakischen Invasion und während des Krieges um seine Befreiung nahmen die Iraker Tausende von kuwaitischen Soldaten fest, die meisten von ihnen „Bidun“. Als sie nach dem Krieg freigelassen wurden, träumten viele von ihnen davon, zu Hause als Helden empfangen zu werden. Aber als sie nach Kuwait zurück wollten, wartete dort eine unangenehme Überraschung auf sie. „Den Bidun ist es nicht gestattet, kuwaitischen Boden zu betreten“, sagten ihnen die kuwaitischen Grenzposten. Für sie wurde an der irakischen Grenze ein Flüchtlingslager eingerichtet. Dort harren sie seitdem aus und werden von Freunden und Verwandten aus Kuwait mit Lebensmitteln versorgt. Vertreter von Hilfsorganisationen fürchten, daß dort ein neuer „Gaza-Streifen“ zwischen dem Irak und Kuwait entstehen könnte.

Nach den Genfer Konventionen müssen alle Kriegsgefangenen nach Beendigung eines Krieges in ihre Heimat zurückkehren dürfen. Aber die in Kuwait herrschende Sabah-Familie beharrt darauf, daß es sich bei den „Bidun“ nicht um Kuwaiter handelt. Vertreter von Hilfsorganisationen legten der kuwaitischen Führung Hunderte von Reisedokumenten und Militärpässen vor, die beweisen, daß die Heimkehrwilligen entweder in Kuwait geboren sind oder seit Jahrzehnten dort lebten.

Die „Bidun“ wurden in Kuwait immer als Bürger zweiter Klasse behandelt. Sie hatten kein Wahlrecht und bis vor einigen Jahren war ihnen auch verboten, in Kuwait zu studieren. Die Mehrheit der „Bidun“ sind Beduinen, deren Familien aus dem Jemen, Irak, Syrien und Saudi-Arabien stammen. Die Sabah-Familie holte sie Anfang des Jahrhunderts ins Land, um ihre Herrschaft zu sichern. Ende der 30er Jahre holten Kuwaits Herrscher eine große Zahl von Ausländern in das Land, von denen sie annahm, daß sie sich loyal gegenüber der Herrscherfamilie verhalten würden.

Einheimische Händler und Intellektuelle, von denen viele im Irak studiert hatten, protestierten in den vorangegangenen Jahren nämlich immer wieder gegen die Herrschaft der Sabah-Familie. 1938 kam es gar zu einem Aufstand, der blutig niedergeschlagen wurde. Unter den Neueinwanderern waren viele Beduinen. Die meisten von ihnen dienten in der kuwaitischen Armee. Ihnen wurde keine kuwaitische Staatsangehörkeit gegeben, so daß ihr Aufenthaltsrecht von ihrer Loyalität zu den Sabahs abhing. Bald waren fast alle einfachen Soldaten und niederrangige Offiziere in der kuwaitischen Armee „Bidun“, das gleiche galt für Polizei und Geheimdienst. Im Frühjahr 1990, vor der irakischen Invasion, wurden diese „Bidun“ in Armee und Polizei von den Sabahs zur Unterdrückung der Demokratiebewegung eingesetzt, die in Kuwait freie Wahlen forderte.

Die kuwaitische Regierung erklärt nun, diese „Bidun“, die nun im Flüchtlingslager zwischen dem Irak und Kuwait sitzen, hätten mit den irakischen Besatzern kollaboriert. Eine kuwaitische Menschenrechtsaktivistin, die nicht namentlich genannt werden möchte, erklärte dazu gegenüber der taz: „Die kuwaitischen Behörden lügen. Viele Bidun haben Kuwait gegen die irakischen Besatzer verteidigt, während die Herrscher sich aus dem Staub gemacht haben. Nur einzelne Bidun haben mit den Irakern zusammengearbeitet, weil diese ihnen die irakische Staatsbürgerschaft versprachen. Die kuwaitische Regierung hat nicht nur tausende Bidun, die aus der Kriegsgefangenschaft kamen, nicht zurückkehren lassen. Armee und Geheimdienste haben auch viele Bidun verhaftet. Sie wollen die Bidun um jeden Preis loswerden. In Kuwait herrscht jetzt ein Rassismus gegenüber Bidun, Irakern, Palästinensern, Jordaniern, Jeminiten un sogar gegen Ägyptern. Die Kuwaiter wollen das Land von Ausländern reinigen.“