Ikonenmaler und Traumhandwerker

■ Heinz Fehling malte Reifen, Rollschuhe und Hausfrauen mit fliegenden Röcken — und Plakate fürs Bremer Varieté „Astoria“

In den 50er Jahren gehörten die Bilder Heinz Fehlings zu den bekanntesten ihrer Zeit, ohne daß jemand seinen Namen gewußt hätte. Fehling war Reklamemaler. Seine Werke waren in der ganzen jungen Westrepublik populär. Mit schönen, feengleichen Frauen warb er für die Produkte des sogenannten Wirtschaftswunders: für Cremes, Reifen, Brause, Haarwasser, Rollschuhe, Limousinen.

Kaum ein Lastwagen, der an der Motorhaube nicht die eislaufende Blondine trug, die für Motoröl warb. In kaum einer Gaststätte fehlte die Ikone eines Bierglases auf tiefem blauen Grund, die Lust auf „Kühles Bier“ machte. Fehling gelang es in dieser Zeit des industriellen Biedermeier sogar, Alkohol trinkenden Frauen in der öffentlichen Meinung ein positives Image zu verleihen. Engel, selbst wenn sie Bier trinken, bleiben doch Engel.

Die Masche des Gebrauchskünstlers, nahezu jedes Produkt mit einem schönen Frauenkörper oder einem dezent verführerischen Lächeln anzupreisen, reizte in der konsumhungrigen Zeit die Kauflust und noch nicht die Kritik von feministischer Seite. Zu groß war die Sehnsucht nach der heilen Welt, die ablenken konnte von den Trümmern in den Städten und dem moralischen Desaster.

Fehling vermittelte eine neue Wunderwelt der Haushaltsgeräte. Geradezu erotisierend wirkten sie in den Händen seiner Feen, die sich mit dem beworbenen Gerät auf völlig unpraktikable Art vergnügten. In idealer Haltung putzen sich Pin-Up-Göttinnen die Zähne, cremen sich die Beine oder binden sich die Rollschuhe an die Füße, als gälte es, dem Märchenprinzen entgegenzusausen. So schön sollte die Welt nun werden, daß die Hausfrauen mit fliegenden Röcken das neue Bügeleisen wie ein goldenes Kalb umtanzen.

hierhin bitte das

Show-Plakat fürs

„Astoria“

Ein Plakat (1936) für's Bremer Astoria in der Katharinenstraße

Der Maler erfüllte sich den Traum, von seinen eigenen Traumbildern, seiner klischeehaften Gegenwelt leben zu können. Heinz Fehling, der Schneidersohn aus Scheeßel, hatte seine Mutter schon als Vierjähriger

verblüfft, als er einen toten Hasen, der auf dem Küchentisch lag, in einem Scherenschnitt nachbildete. Als jüngster Sohn besaß er ihre besondere Aufmerksamkeit, und nach Kräften unterstützte sie seine Talente. Auch als der Vater vergeblich versuchte, seinen Jungen zum Schneider zu machen, stand sie auf seiner Seite.

Mit siebzehn begann Fehling seine Ausbildung an der Bremer Kunstgewerbeschule. Hier wurde den Anforderungen des Handwerks gemäß ausgebildet. Die zeitgenössischen Entwicklungen der Kunst blieben der Schule fern. Fehling begann nach fotografischen Vorlagen zu malen, eine Arbeitsweise, die er sein Leben lang beibehielt. Aus den Klischees seiner jugendlichen Vorstellungswelt schuf er — immer auf dekorative Wirkung bedacht — grafisch kompakte und plakative Inszenierungen.

Mit seinem Freund Hans-Günther Oesterreich gründete er 1931 die Firma „Uniwerbung“ in Bremen. 1933 emigrierte Oesterreich nach Paris. Fehling mußte das kleine Unternehmen schließen, doch avancierte er zum Hausmaler des Varietes „Astoria“, das über Bremen hinaus für seine Show-Programme berühmt war. Er genoß das Leben eines Bohemiens. Auch übernahm er, in geradezu antipolitischer Haltung, Aufträge für Rüstungsfirmen, unwiderstehlich fasziniert von der Rasanz moderner Technik.

Mitte der 50er Jahre, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, wurde er von einer schweren Krankheit bedrängt. Seine Schaffenskraft ließ nach, die Quellen seiner Ideen versiegten. Er zog sich schließlich in die Nähe einer süddeutschen Spezialklinik zurück und verlebte seine letzten zwanzig Lebensjahre in Baden-Baden, wo er 1989 starb. Die Liebe zu seinem Heimatdorf Scheeßel aber riß nie ab.

Das Werk des Handwerkers der Träume würdigt jetzt eine Publikation des Heimatvereins Niedersachsen. Das im Worpsweder Verlag erschiene Buch ist eine Fundgrube für Fans von Ikonen des verkaufsfördernden Hyperrealismus. Trefflich, daß eine Auswahl seiner Werke bis zum 28. Juni in der protzigen Kassenhalle am Brill zu sehen ist. Julia Kossmann