„Wir machen Rot-grün innerhalb der SPD“

■ Vier „Wackelkandidaten“ streiten um die möglichen Koalitionen nach der Bürgerschaftswahl am 29.9.

Zum Thema der möglichen Koalitionen nach der Bürgerschaftswahl sind von den Spitzenkandidaten der Parteien nur Worthülsen zu hören. Die Teilnehmer diese Streitgesprächs haben es etwas leichter. Ihre Parteien haben Walter Ruffler (Grüne), Jörg Kastendiek (CDU), Axel Adamietz (FDP) und Wolfgang Grotheer (SPD) schließlich nur auf die hinteren, nur bei gutem Abschneiden aussichtsreichen Listenplätze gewählt. Die vier „Wackelkandidaten“ waren am vergangenen Samstag zu Gast im taz-Zelt auf der Breminale und bereit, etwas konkreter zu werden.

taz: Wolfgang Grotheer, Du hast nur dann eine Chance, in die Bürgerschaft zu kommen, wenn die SPD wieder die absolute Mehrheit erreicht. Wünschst Du Dir das eigentlich?

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Wolfgang Grotheer: Ich arbeite ja nicht in der SPD, weil ich mir wünsche, daß in der Bürgerschaft andere Parteien die Politik bestimmen. Für mich kommt es vor allem darauf an, daß in Bremen eine öffentliche Diskussion über die politischen Entscheidungen stattfindet. Und das geht auch mit einer absoluten Mehrheit der SPD.

Walter Ruffler, welche Parole würdest Du auf das Wahlplakat schreiben, damit Du auf Platz 8 der Grünen Liste noch in die Bürgerschaft kommst?

hier bitte das Foto von dem Hernn mit der runden Brille ohne Schnurrbart (2)

Walter Ruffler: Ich würde draufschreiben: „Bremen braucht neue Energie!“ Es gibt hier ja inzwischen gute Voraussetzungen für eine alternative Energiepolitik, bloß der Senat muß auch gezwungen werden, sie umzusetzen.

Axel Adamietz: Ich glaube, es geht um mehr, als nur um neue Energie. Ich denke, auf dem Plakat müßte stehen: „Bremen braucht neue Mehrheiten!“ Wir haben doch alle drei ein gemeinsames Oppositionsinteresse. Erst wenn die absolute SPD-Mehrheit gebrochen ist, kann man auch andere politische Inhalte durchsetzen.

Walter Ruffler: Andere Mehrheiten — schön und gut. Aber bei den anderen Inhalten, da hapert es doch bei Euch. Nehmen wir das Thema Energie: Zur Zeit wird ein Energiegesetz beraten, und die FDP hält es für gänzlich überflüssig.

Und Du, Jörg, was würdest Du auf Dein Wahlplakat schreiben? Um das Mitregieren geht es bei der Bremer CDU ja sowieso nicht...

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Jörg Kastendiek: So chancenlos sind wir gar nicht mal. Zusammen mit der FDP waren wir bei der Bundestagswahl stärker als die SPD, da müssen zum bürgerlichen Lager ja nur noch ein paar Prozent dazukommen...

Und daran glaubst Du wirklich?

Jörg Kastendiek: Ich halte das nicht für ausgeschlossen.

Bist Du mit den drei Oppositions- Vertretern auch der Meinung, daß in Bremen wegen der absoluten SPD-Mehrheit die gesamte Politik auf Euren Parteitagen entschieden wird?

Wolfgang Grotheer: Wichtige Dinge werden dort bestimmt vorangetrieben. Zum Beispiel die Energiepolitik: Die Frage des Weserkraftwerks ist gerade nicht durch Initiativen entschieden worden. Es gibt innerhalb der SPD eine ganz breite Bewegung, die sich für das Thema Energiepolitik stark macht. Und diese Gruppe hat auf dem Landesparteitag eine Mehrheit für das Weserkraftwerk zu finden.

Du würdest Dir Axel Adamietz und Walter Ruffler am liebsten in der SPD wünschen?

Wolfgang Grotheer: Das habe ich mich sowieso schon gefragt: Warum ist Axel Adamietz eigentlich nicht in die SPD eingetreten? Wir können so freie Geister in unserer Partei richtig gut brauchen.

hier bitte den Herrn mit Schnäuzer und Rundbrille

Axel Adamietz: Nein, die SPD muß jetzt von außen bewegt werden. Es würde Bremen sicher sogar gut tun, wenn es einmal ganz ohne die SPD regiert würde. Aber ich bin ja kein Illusionist. Ich bin dafür, in dem Spektrum, in dem es in Bremen möglich ist, eine Koalition zu machen. Und da ist die SPD der Ansprechpartner.

Allerdings sage ich auch: Wer hier in Bremen mit der SPD koalieren will, der muß einen langen Löffel haben, der darf sich nicht nur darauf einlassen, daß er mit der SPD wunderbar übereinstimmt. Der muß auch Pflöcke gegen die SPD einschlagen.

Jörg und Walter haben jetzt immer fleißig genickt. Gibt es dafür vielleicht sogar eine Bremer Ampelkoalition aus Schwarz-gelb- grün?

Walter Ruffler: Mir war gar nicht bewußt, daß ich genickt habe. Ich muß Axel zwar Recht geben, daß das Ende der SPD-Mehrheit für Bremen gut wäre. Aber die zweite These von Axel, daß die Koalition der SPD mit der FDP Bremen gut tun würde, die halte ich für falsch. Im ökologischen Bereich wäre eine SPD-FDP-Koalition das Schlimmste, was Bremen passieren könnte.

Du möchtest lieber selber mit der SPD koalieren?

Ruffler: Na ja, wenn schon, denn schon. Aber keine Koalition zum Nulltarif, da vertraue ich auch dem fortschrittlichen SPD-Flügel, den Wolfgang Grotheer vorhin angesprochen hat.

Jörg Kastendiek: Wenn es nur darum gehen würde, könnte ich mir persönlich schon eine Zusammenarbeit CDU-FDP-Grüne vorstellen. Aber wenn man sich anguckt, welche drei Klientel dann aufeinandertreffen würden, dann halte ich das für sehr unwahrscheinlich. Ich glaube eher, daß sich entweder die Grünen oder die FDP bei der SPD anbiedern, allein schon, um auch selber einmal an die Pfründe zu kommen. Man hat ja in Rheinland-Pfalz gesehen, wie wunderbar die SPD die beiden kleinen Parteien gegeneinander ausspielen kann.

Du bist vorhin der Frage vornehm ausgewichen, ob Du Dir die Fortsetzung einer absoluten SPD- Mehrheit wünschst. Soweit ich weiß, liebäugelst Du innerhalb der SPD auch eher mit einer rot- grünen Perspektive. Wie fühlt man sich dann, wenn die Partei einen nur auf den letzten Wackelplatz setzt?

Wolfgang Grotheer: Wir machen ja eine rot-grüne Politik innerhalb der SPD. Und ich denke auch, nach dem, was heute abend gesagt wurde, ist die Wahl der SPD die einzige Möglichkeit, das zu unterstützen. Denn die ganzen Denkmodelle, wer mit wem, führen doch nur dazu, daß man überhaupt nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt.

Fragen: Dirk Asendorpf