Abwicklungsstopp an der Humboldt-Uni

■ Gericht erklärt Abwicklung von fünf Fachbereichen für rechtswidrig/ Alte Mitarbeiter dürfen wieder ihre Ämter/ Senat hofft auf nächste Instanz

Berlin. Die vom Senat im Dezember verordnete Abwicklung von fünf Fachbereichen der Humboldt-Universität (HU) ist rechtswidrig. Diesen Beschluß teilte das Oberverwaltungsgericht (OVG) gestern dem Senat und der HU mit. Das Gericht folgte einem Antrag der HU und entschied im vorläufigen Eilverfahren, die Stadtregierung müsse Auflösung und Neuaufbau dieser Fachbereiche sofort stoppen und sie »nicht mehr als aufgelöst behandeln«. Sämtliche Professoren und anderen Mitarbeiter müßten erneut »in vollem Umfang in ihre Ämter eingesetzt werden«, teilte der Anwalt der HU, Reiner Geulen, mit. Die HU könne nun mit eigener Kraft ihre demokratische Erneuerung fortsetzen.

»Wir sind eben doch in einem Rechtsstaat angekommen«, freute sich ein Universitätsmitarbeiter. Der Rektor, Heinrich Fink, sah dagegen vor allem »die Riesenarbeit, die jetzt auf uns zukommt«. Ein »Chaos« werde jedoch nicht entstehen. Die Universität habe in den letzten Monaten an ihren Konzepten für eine organisatorische und personelle Erneuerung weitergearbeitet und sei dabei von der Annahme ausgegangen, daß die Abwicklung nicht stattfinde. Verträge mit neuen Professoren, die durch den Gerichtsbeschluß hätten unwirksam werden können, seien noch nicht abgeschlossen.

Der Beschluß des OVG betrifft die Fachbereiche Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Geschichte, Erziehungswissenschaft, das Institut für Philosophie und das Kommunikations- und Kongreßzentrum Gosen. Der Abwicklungsstopp gilt zumindest so lange, bis das Gericht in einer Hauptverhandlung endgültig über die Klage der Universität entschieden hat.

Das OVG, so Geulen, sei »in vollem Umfang« seiner Argumentation gefolgt, daß an der HU keine wirkliche Abwicklung stattfinde, weil die betroffenen Fachbereiche nicht vollständig aufgelöst, sondern anschließend neuaufgebaut würden. Für einige kleinere Einrichtungen der HU, die vom Senat tatsächlich vollständig aufgelöst wurden, sei das Gericht deshalb dem Antrag der HU nicht gefolgt und habe die Abwicklung für rechtens erklärt.

Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) kündigte gestern gegenüber der taz an, er werde den Beschluß »respektieren«. Er sei allerdings optimistisch, daß damit »nicht das letzte Wort« gesprochen sei. Nach einer endgültigen Entscheidung des OVG habe der Senat noch die Möglichkeit, das Bundesverwaltungsgericht anzurufen. Es wäre »ein ganz fatales Signal«, wenn sich die HU durchsetzen würde, meinte Erhardt. Bestünden die fünf »ideologiebelasteten« Fachbereiche in alter Form weiter, könne dies abschreckend auf Studenten und Lehrende wirken.

Rechtsexperten sehen in dem Beschluß des OVG dagegen »eine gute Nachricht für Studenten«. Sie hätten eine größere Chance, zum Wintersemester einen Studienplatz an der HU zu erlangen. Da die alten Mitarbeiter der fünf Fachbereiche nun erneut in die Kapazitätsberechnungen einbezogen werden müßten, hätten Studenten gute Aussichten, eine Immatrikulation vor Gericht einzuklagen. hmt