Gefängnis für „untreuen“ Atommanager

Im Transnuklearprozeß verhängte das Hanauer Landgericht eine vierjährige Haftstrafe gegen TN-Manager Bretag  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Hanau (taz) — Die Wirtschaftsstrafkammer des Hanauer Landgerichts hat gestern die ersten Urteile in den insgesamt drei laufenden Verfahren gegen Manager der Atomtransportfirma Transnuklaer (TN) gefällt. Unter Vorsitz von Richter Klaus Frech verurteilte das Gericht den für die Connections der TN mit dem belgischen Atom-Entsorgungszentrum in Mol zuständigen Abteilungsleiter Wilhem Bretag, der im Atomdorf Hanau nur „Betrag“ genannt wurde, zu vier Jahren Gefängnis. Bretags geständiger Komplize Hans-Günther Knackstedt, dessen Verfahren vom Gericht abgetrennt worden war, wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Schmiergelder an AKW-Mitarbeiter

Allerdings muß der Abteilungsleiter aus Hanau 100.000 DM an einen Verein zur Unterstützung strahlengeschädigter Kinder aus Tschernobyl zahlen.Die beiden Atommanager wurden verurteilt, weil sie nach Überzeugung des Gerichts in den 80er Jahren mehrere Millionen DM aus dem Firmenvermögen der TN über eine „schwarze Kasse“ abgezweigt und zur Zahlung von Schmiergeldern an Mitarbeiter von Atomkraftwerken und anderen atomtechnischen Anlagen verwendet zu haben. Bestochen wurden die Eingangskontrolleure in den AKWs, die eigentlich den von der TN zur Entsorgung angenommenen und zur Konditionierung vornehmlich nach Mol in Belgien verbrachten strahlenden Abfall aus den AKWs bei der atomrechtlich zwingend vorgeschriebenen Rücknahme hätten zurückweisen müssen.

Die TN lieferte nämlich in aller Regel anderen — in einem Fall mit Plutonium verseuchten — Atommüll an die AKWs zurück, als den, den die AKWs der TN zur sachgerechten Entsorgung anvertraut hatten.Darüber hinaus hat die TN in mehreren Fällen problematischen Atommüll aus deutschen AKWs zur Entsorgung angenommen, obgleich den Verantwortlichen in Hanau klar war, daß das Konditionierungs- und Entsorgungszentrum in Mol diese spezifizierten Abfälle weder volumenreduzieren noch in einer anderen Art und Weise behandeln konnte. Vielfach wurde deshalb in Mol strahlender Atommüll in einen Fluß gekippt, zur „Endlagerung“ in die Nordsee versenkt oder unsachgemäß — teilweise im Freien — auf dem Betriebsgelände zwischengelagert.

Die atom- und strahlenschutzrechtlichen Aspekte der Schiebereien der in Hanau angeklagten und verurteilten Atommanger hat das Gericht bei der Urteilsfindung allerdings nicht berücksichtigt.

Untreue gegen die eigene Firma

Bretag und Knackstedt wurden wegen „Untreue“ gegen die eigene Firma verurteilt, wobei das Gericht dem Angeklagten Bretag diese „Untreue“ in zwei Fällen und dem Angeklagten Knackstedt in vier Fällen nachweisen konnte. Daß Knackstedts Haftstrafe dennoch zur Bewährung ausgesetzt wurde, Bretag aber für vier Jahre hinter Gitter muß, führen Prozeßbeobachter auf die Geständigkeit des Angeklagten Knackstedt während des gesamten Verfahrens zurück. Darüber hinaus habe Knackstedt keine „Eigenbereicherung“ nachgewiesen werden können. Für das Mitglied der Hanauer Bürgerinitiative Umweltschutz (IUH) und des Vorstandes des Bundesverbandes Bürgerinitativen Umweltschutz (BBU), Eduard Bernhard, hat das Gericht in Hanau ohnehin „nur die Kleinen gehenkt und die Großen laufen gelassen“.

Eigentlich, so Bernhard, hätten die „großen Tiere“ der TN-Muttergesellschaft Nukem, der RWE in Essen und der Frankfurter Firma Degussa in Hanau mit auf die Anklagebank gehört. Daß etwa die durch die TN-Schiebereien geschädigte Firma RWE, die unter anderem die AKWs in Biblis betreibt, denen von der TN wiederholt falsch deklarierter Atommüll untergeschoben worden war, auf eine Strafanzeige gegen die TN- Manager verzichtete und keinerlei Schadenersatzansprüche stellte, ist für Bernhard der Beleg dafür daß innerhalb der Atommafia „eine Krähe der anderen kein Auge aushackt“. Die RWE waren seinerzeit Anteilseigner an der Nukem — und die Nukem die 100prozentige Mutter der Transnuklear. Bernhard: „Die ganze Schlampigkeit, die bei der sogenannten Konditionierung des Atommülls praktiziert wurde, belegt die Zeugenaussage von Dr. Ambros aus dem AKW Biblis. Ambros führte aus, daß die Eingangsanalysen des Atommülls eine Abweichung von 30 bis 40 Prozent der Curie-werte hätten aufweisen dürfen.“ Eine solche Ungenauigkeit lege offen, mit welchen dubiosen Methoden im Abfallgeschäft der Atomindustrie auch heute noch gearbeitet werde.

In seiner Urteilsbegründung fragte sich auch der Vorsitzende Richter Frech, ob in Hanau tatsächlich die richtigen Köpfe gerollt seien. Schließlich, so Frech, hätten die Aufsichtsbehörden dem Treiben der TN jahrelang untätig zugeschaut. Morgen wird in Hanau der abgetrennte Prozeß gegen den TN- Geschäftsführer Peter Vygen fortgesetzt. Geladener Zeuge ist der frischverurteilte Wilhelm Bretag.