INTERVIEW
: „Mit ungeheurer Wucht durch die Haut“

■ Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Metereologie über mögliche Klimaauswirkungen als Folge großer Vulkanausbrüche

Vulkanausbrüche haben historisch immer wieder Auswirkungen auf das Klima gehabt. Beispiele sind die Explosion des Tambora in Indonesien, bei dem 1815 bis zu 100 Kubikkilometer Asche in die Stratosphäre geschleudert wurden, sowie die Explosion des indonesischen Krakatao (18 Kubikkilometer) und des amerikanischen Mount Saint Helens 1980.

taz: Während des Golfkrieges war immer wieder die Rede davon, daß die Brände am Golf keine weltweiten klimatischen Auswirkungen haben würden. Bei Vulkanausbrüchen sollen solche klimatischen Auswirkungen möglich sein. Können Sie den Prozeß erklären?

Mojib Latif: Das liegt ganz einfach daran, daß bei Vulkanausbrüchen auf geringer Fläche derart große Energiemengen frei werden, daß das Material — zumeist ist es Staub — in die oberen Schichten der Atmosphäre gelangen kann. Dieses Material wird richtig reingeschleudert. Ein Teil gelangt dabei eben auch in die Stratosphäre, also in mindestens 15 Kilometer Höhe. Wenn das Material erst mal in diese Luftschichten gekommen ist, ist es dort sehr langlebig. Typische Verweilzeiten für den Vulkanstaub liegen bei mehreren Jahren. Das führt dazu, daß sich der Staub wie ein Schleier um die ganze Erde verteilen kann. Der Staub beeinträchtigt dann global die Sonneneinstrahlung, und es kommt zu Abkühlungen.

Wie messen Sie das?

Bei starken Vulkanausbrüchen haben Wissenschaftler kleine Einbrüche der weltweiten Durchschnittstemperaturen ausgemacht. Die lassen sich eindeutig den Vulkanausbrüchen zuordnen.

Wie groß muß denn ein solcher Ausbruch sein, damit solche meßbaren Auswirkungen auftreten?

Es gibt Beispiele. Die Explosion am Mount Saint Helens im Jahr 1980 war eine, vorher schon der indonesische Krakatao im Jahre 1883. Aber nicht jeder Vulkanausbruch ist gleich. Ich weiß noch nicht, wie weit sich der Ausbruch auf den Philippinen in der Stratosphäre auswirkt. Es gibt in einem Jahrhundert vielleicht fünf bis sechs Ausbrüche, die eine Delle in der Welttemperaturkurve hinterlassen. Zentral ist, daß das Material direkt in die Stratosphäre eindringt. Das Material muß die Tropopause, die Grenze zwischen Troposphäre und Stratosphäre, mit ungeheurer Wucht durchbrechen. Das ist so, wie wenn man einen Nagel durch die Haut jagt.

Für den Fall, daß es zu einem großen Ausbruch auf den Philippinen kommt: Kann man die Bahnen bestimmen, auf denen der Staub dann zieht, und so die am meisten vom herabregnenden Staub betroffenen Gebiete rund um den Globus bestimmen?

Nein, das ist, meine ich, nicht möglich. Ob ähnliche Auswirkungen wie bei der Explosion des Tambora auftreten, als 1816 in den USA der Sommer ausfiel und statt dessen Schnee fiel, hängt letztlich von der Größe des Ausbruchs ab.

Werden die Auswirkungen auch von dem Material beeinflußt, das in die Stratosphäre gelangt?

Das Material ist doch bekannt. Es handelt sich mehr oder weniger um Schwefelverbindungen und Ruß. Also keine Veränderungen. Interview: Hermann-Josef Tenhagen