“Das Kind ist schon da“

■ Katholische „Woche für das Leben“/ Hardliner auch bei den Evangelen

Wie überall in der Republik begehen die KatholikInnen auch in Bremen vom 10. bis 16. Juni eine „Woche für das Leben“. Schwerpunkt ist in diesem Jahr, wieder einmal, der „Schutz des ungeborenen Lebens“. Der Bremer Pastoralrat, das oberste Gremium für die Seelsorge der KatholikInnen, übt aus diesem Anlaß Kritik an der Mutterkirche und an geheiligten Positionen aus Rom.

Nicht alles katholische Schrifttum zum Schwangerschaftsabbruch sei „empfehlenswert“, heißt es in einer Erklärung. Scharf auf's Korn genommen wird die Haltung Roms zur Geburtenregelung. Die katholische Kirche müsse endlich ein positives Verhältnis zur menschlichen Sexualität entwicken und vermitteln, so der Stadtpastoralrat.

Brisant werden könnte die Abschlußveranstaltung der Bremer „Woche für das Leben“, wenn am Samstag auf einem Bildungstag der katholischen Kolping-Familie die evangelische Pastorenfrau und CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Motschmann, bekannt als „Hardlinerin“ gegen Schwangerschaftsabbruch, gemeinsam mit der Gynäkologin des Josephstiftes, Christiane Frantzen, einer Vetreterin des DGB und einem katholischen Jugendpastor auf dem Podium sitzt.

Das Oberhaupt aller norddeutschen KatholikInnen, der Osnabrücker Bischof Ludwig Avermann, verkündet in seinem Hirtenwort zur „Woche des Leben“ die bekannt harrschen Töne: Nach Feststellung einer Schwangerschaft stehe nicht die freie Entscheidung über ein Kind an: „Das Kind ist schon da.“

Der Osnabrücker Bischof fordert zwar auch eine deutlichere „Gewissenverantwortung für Männer und Väter“ sowie frauen- und familienpolitische Maßnahmen. Auf Strafe will er aber nicht verzichten. Averkamp: „Wenn die gesetzliche Strafandrohung bei der Tötung eines ungeborenen Kindes völlig wegfiele, wie sollten dann die Menschen noch verstehen und daran festhalten, daß es sich bei dem Leben dieses Kindes um das höchste Rechtsgut unserer Verfassung handelt?“

Der „leitende Geistliche“ der evangelischen Christen in Bremen, Ernst Uhl, steht den Aktivitäten der Konkurrenz leicht reserviert gegenüber. Der ökomenische Zusammenschluß der Bremer Kirchen wurde zwar zur „Woche für das Leben“ eingeladen, „aber wir sind übereingekommen: das bleibt in Bremen eine Woche der katholische Kirche“, erklärt Uhl. Ihm sei es „gerade als Mann unmöglich, eine Abtreibung unter dem Gesichtspunkt des Strafgesetzbuches zu sehen.“ Er persönlich würde jede Strafandrohung weglassen.

Stattdessen sollten Frauen durch freiwillige Beratung ermutigt werden, ein Kind zur Welt zu bringen. „Kampagnen gehen etwas daneben, wenn Vergleiche zwischen Abtreibungszahlen und Völkermord gezogen werden. Das ist demagogisch. Völkermord ist so ungeheuerlich, so vermeidbar, und da gibt es auch keine Zwangsberatung“, so Uhl.

Jens Motschmann, evangelischer Pastor der Martini-Gemeinde, findet die Haltung seiner Kirche zum Schwangerschaftsabbruch „unklar“ und „verharmlosend“. Für Motschmann ist ganz klar: Strafe muß sein. Denn hier wird „das Grundgesetz, Artikel 1 tangiert. Das Recht auf Menschenwürde gilt auch für das ungeborene Leben.“ Der „gewissenlose Umgang mit ungeborenem Leben“ müsse weiter strafrechtlich verfolgt werden. Motschmann fordert eine Zwangsberatung für abtreibungswillige Frauen. Parolen wie „Mein Bauch gehört mir“ sind ihm ein Greuel. „Kann die Mutter so entscheiden über das Leben eines anderen? Die Gesellschaft muß Hilfen geben für den, der sich noch nicht wehren kann und ihn nicht der Willkür eines anderen ausgesetzen.“ asp