Traumhafte Transportwege

■ Die Künstlergruppe atp in der Galerie »Billboard Artspace«

Schon wieder eine leere Galerie. »Artspace« verspricht der Name des Ortes, und mit »Boomtown Berlin — Der Kunstrausch« als Motto sollte eine weitere Bilderflut zu erwarten sein. Doch das Gegenteil ist der Fall, es gibt wenig zu sehen, viel zu denken. Das hatte auch Lyotard einst versprochen und Immaterialien gemeint. Mit Iquitos will die Künstlergruppe atp per Konzept-Kunst auf den Rauschzustand reagieren. Der wird andernorts zelebriert, am Anhalter Bahnhof bei Metropolis gleich als Kulturtourismus in internationalen Dimensionen.

Die Galerie in der Waldemarstraße gleicht dagegen einer Festung. Die Fenster geben den Blick aus der Fabriketage auf eine instandbesetzte Kreuzberger Hinterhofromantik frei. Drinnen herrscht Begrenzung über den Raum. Schwere stählerne Trennwände sind so eingezogen worden, daß außer der Tresenfläche nur ein schmaler Ausstellungsschlauch bestehen bleibt. Davor bilden zwei freistehende Postkartenständer (immerhin gefüllt) ein Szenario, das die Reduktion des Raumes nochmals wiederholt. Denn auf den Postkarten sind nur die Namen von Künstlern, weltweit berühmten oder örtlichen Größen, zu lesen. Von Künstlern, die zur selben Zeit über die ganze Welt verstreut ausstellen. Die Schriftzüge der Karten sind von den Anzeigenseiten des Flash-Art- Magazins, dem Fachblatt für Kunstbeflissene, abkopiert worden. Hier scheint sich der Kreis um den Kunstmarkt zu schließen. Sich immer wieder auf sich selbst beziehend, werben Worte für Namen, Orte und Gegenstände, indem sie bloß verkünden, wer wann wo zur Zeit im Geschäft ist. Wer sollte globetrottend das alles nachprüfen? Nur, einige Namen finden sich auch in der Metropolis-Ausstellung wieder, wo sie zwischen Warenästhetik, Reproduktionsmodellen und ornamentalem Poppathos für die Qualität der Ware bürgen. Mehr als eine Postkarte kann man sich auch von dort nicht mitnehmen. Allerdings soll nicht die Antithese, Kommentar oder Kritik, zum Rummel- und Tummelplatz Martin-Gropius-Bau aus der kargen Kunstlandschaft erwachsen, wie sie sich für atp darstellt. Iquitos spielt vielmehr mit der Parodie auf die Vorstellung vom globalen Dorf, durch das sich die Bildungsgemeinde mit Jet, Taxi oder Reisebus ihren Weg bahnt. Iquitos ist das Ziel einer Traumreise, die Herzog Kinski in Fitzcarraldo hat machen lassen. Reste des Filmplakats, die an der Stahlwand pappen, künden davon. Eine Sichtweise, die die Postkarten ebenso widerspiegeln wie der Untertitel zur Ausstellung: from a tourist point of view.

Als eine Art Reisebüro will atp ihre Installation verstanden wissen. Ein Reisebüro diene als Katalysator für »die Wünsche, die man auf eine ferne und fremde Welt projiziert«. Dabei sehen »die Musterzimmer der Hotels an den Reisezielen immer wieder gleich aus«, ob über Club Mediterrané in Sansibar oder mit dem Otto-Versand auf den Malediven. Dem Galeriewesen ergeht es ähnlich. Neo Geo, soziale Plastik oder Photorealistisches — alles weiß umwandet in einem immergleichen räumlichen Rahmen. Das kann auch atp mit ihrem Aufbau nicht ändern. Die Postkarte mit den eigenen Insignien wirbt selbstironisch aus dem Ständer. Daß sie jedoch wie eine unter vielen erscheint, ist die erklärte Absicht der Gruppe gewesen. Das gleiche Format reduziert die unterschiedlichsten Orte und Begebenheiten bis zur Gleichwertigkeit. Deren demokratisches Verhältnis bricht nur die Assoziationskraft des Betrachtenden. Mit ihm steht atp aber direkt auf einer Stufe. Auch für sie bleiben Namen und Orte mythisch, mit eigenen Vorstellungen gefüllt. Setzt man voraus, daß nicht nur Gerhard Richter, sondern auch die Poiriers gleichermaßen un- oder bekannt sind, mag das zutreffen. In der Ausstellung stünden dann Dilettant und Fachidiot in der verkürzten Kunstlandschaft eng beieinander. Bei Metropolis trennen sich ihre Wege. Harald Fricke

Die Ausstellung ist noch bis zum 16. Juni in der Galerie »Billboard Artspace«, Waldemarstraße 37, in Berlin 36 zu sehen.